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Land der Spanner

Aus Big Brother Awards Austria 2006

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Big Brother Awards 2006 - Land der Spanner

Land der Spanner
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Land der Spanner

Etwas verspätet, wie es in technischen Dingen hierzulande manchmal vorkommt, dafür aber umso gründlicher fällt das Land Österreich dem Kamerawahn anheim. Vor der Nationalratswahl 2006 werden noch schnell alle Register gezogen, um dem Volk zu zeigen, was eine Ordnung ist und eine öffentliche Sicherheit.

Als sich die Frau Innenminister zu Linz von TV-Kameras vor Überwachungskameras abfeiern ließ, die man extra für den TV-Auftritt im öffentlichen Raum drapiert hatte, gab das einen garstigen Vorgeschmack darauf, was auf uns zukommt: Video-Überwachung in allen Lebenslagen. Egal ob sie nicht mehr bewirkt, als das "subjektive Sicherheitsgefühl" zu steigern, was eines der erklärten Ziele des Kamera-Einsatzes ist.

In Linz und Salzburg randaliert der jugendliche Übermut nun halt woanders als auf den überwachten Beisl-Meilen. In Wien hat sich die Kleindealer-Szene vom Schwedenplatz in weniger überwachte Teile des städtischen Weichbilds wegbewegt, die schwer Suchtkranken auf dem Karlsplatz hingegen sind geblieben und mittlerweile Akteure im Reality-TV. In dieser Version der "Big Brother"-Show wird für ein noch exklusives TV-Publikum von Polizeibeamt/inn/en vor dutzenden Kameras weiterhin gedealt, gedrückt und auch gestorben. Aus dieser Variante der Reality-Show werden die Akteure nämlich durch Verhaftung, Krankheit oder Tod hinausgewählt.

All das läßt man sich auch etwas kosten. Allein in Wien werden 3,7 Millionen Euro in die Vollüberwachung aller U-Bahnzüge investiert, um zu erwartende Vandalenschäden von 200.000 Euro pro Jahr zu verhindern. Hat schon mal irgendwer nachgerechnet, wann sich diese massive Investition von Steuergeldern frühestens amortisieren wird?

Vor Amtszeitende wurde von der österreichischen Regierung noch schnell mit den benachbarten Innenministern die flächendeckende Video-Überwachung von Zügen ausgemacht. Die neuesten Garnituren der ÖBB wurden schon davor mit Kameras bestückt geliefert, sie brauchen nur noch eingeschaltet werden. Das österreichische LKW-Mautsystem ist wiederum so konstruiert, dass auch alle PKWs schon jetzt von den Maut-Kameras erfasst und eingelesen werden. Bis jetzt - wenn es denn wahr ist - werden diese Daten noch gelöscht.

Wie lange noch? Der deutsche Innenminister hat bereits angekündigt, das deutsche Mautsystem im Kampf gegen den Terror einzusetzen. Bald ist es auch hier so weit, dass die Regierung anfängt, systematisch und flächendeckend Zeit-Weg-Diagramme von ihren Bürger/inne/n anzulegen. Dafür darf dann über einige vollüberwachte Strecken mit Tempo 160 gebrettert werden. Ein österreichischer Versicherungskonzern bietet billigere Prämien an, wenn das Fahrzeug rund um die Uhr via Satellit geortet werden kann.

Wer sich im öffentlichen Raum bewegt, muss erst einmal durch sein Verhalten beweisen, dass er die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet.

Das auch in Österreich zu erwartende, nächste Stadium des Kamerawahns kann dort, wo er zuallererst ausgebrochen ist, bereits besichtigt werden. In Großbritannien sind die urbanen Überwachungssysteme bereits zum Teil in ihre interaktive Phase eingetreten. Die Bilder der Überwachungskameras werden via TV live in Haushalte übertragen, die Teilnehmer an diesem Nachbarschafts-Reality-TV sind aufgerufen, verdächtiges Verhalten sofort per E-Mail oder Telefon bei der Polizei zu melden.

Das ist das eigentliche Ziel.

Staatsbürger/innen sollen sich gefälligst gegenseitig bespitzeln und das bitte gleich ordentlich. Statt einem Blockwart braucht man jetzt halt viele, weil die Polizei mit der Auswertung so vieler Bilder längst überfordert ist. Ein Nebenprodukt ist die Unterhaltung derer, die nicht am öffentlichen Arbeitsleben teilnehmen, weil sie Arbeitslose, Hausfrauen, Pensionisten oder Jugendliche sind.

Während sich das gemeine Volk solchermaßen durch wechselweises Belauern unterhalten soll, wird auch das subjektive Gefühl des Wohlbefindens gestärkt. Man trägt zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei, man spielt auf einmal wieder eine gesellschaftliche Rolle - und sei es die eines kleinen Spitzels in der großen Spanner-Republik.

Der Tag scheint nicht mehr fern, an dem man auch in Österreichs Haushalten Drogenkranke live vor der Überwachungskamera zusammenbrechen oder man U-Bahn-Selbstmörder zur Steigerung des Nervenkitzels der kommenden Voyeurs-Gesellschaft bei ihren letzten Schritten sieht.

Nachsatz:

Nur ein Großereignis von weltweitem Interesse haben die Kameras der öffentlichen Verkehrsmittel in Wien anscheinend verpasst. Der Selbstmord des Entführers von Natascha K. geschah außerhalb des Bahnhofs Praterstern und damit außerhalb des Bereichs von Überwachungskameras.

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