-- Big Brother Awards Austria 2008 -- Datenschutz ist Menschenrecht --

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Nominierungen

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(Günther Platter [ÖVP]: Kopierte Überwachungsphantasien von Wolfgang Schäuble: PI URL workaround)
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* http://netzpolitik.org/tag/platter/
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=== Gerald Grosz [BZÖ] und Heinz-Christian Strache [FPÖ]: Fingerabdrücke auf E-Card ===  
=== Gerald Grosz [BZÖ] und Heinz-Christian Strache [FPÖ]: Fingerabdrücke auf E-Card ===  

Version vom 13:56, 16. Okt. 2008

Für die 'Big Brother Awards 2008 ("die Preise, die niemand haben will") hat sich die heurige Jury auf die nachfolgende Nominierungsliste geeinigt. Die Gewinner dieser Datenschutz-Negativpreise in verschiedenen Kategorien werden am 25.10.2008 in einer Gala im Wiener Rabenhof Theater bekanntgegeben und gewürdigt.

i Wie immer haben alle Nominierten die Möglichkeit, sich mit Kommentaren an info@bigbrotherawards.at zu wenden. Wir veröffentlichen die Reaktionen dann und verlinken sie auf dieser Seite.

Inhaltsverzeichnis

Business und Finanzen

UEFA: Fanzonen-Terror in Österreich und in der Schweiz

Sport ist Mord - und killt bei Gelegenheit auch die Freiheit. Um das herauszufinden, muss man nicht unbedingt nach China schielen. Dass ganze Stadtzentren zu grotesken Spaß-Hochsicherheitszonen umgebaut werden können, bewiesen die Vereinigung Europäischer Fußballverbände UEFA und verschiedene Städte in Österreich und der Schweiz anlässlich der Fußball-Europameisterschaft UEFA EURO 2008 mit ihren "Fanzonen". Am Ring in Wien wurden Bürger beim Gang durch ihre eigene Stadt gefilzt, durften keine größeren Getränkeflaschen oder Taschen bei sich tragen und wurden dabei permanent von Überwachungskameras gefilmt. Dass das Parlament dabei hinter zwei Meter hohen Bauzäunen verschwand und Bürgern zeitweise der Zugang zum Hohen Haus verwehrt blieb, kann dabei durchaus als Metapher für den inneren Belagerungszustand der westlichen Demokratien gesehen werden. Die Lehre daraus zu ziehen, ist einfach: Die Fanzone war sogar wirtschaftlich ein Flop.

Bruno Wallnöfer, TIWAG Vorstandsvorsitzender: Mit Detektiven gegen Kritiker

Der Tiroler Energieversorger hat bei seinem beinahe vier Jahre währenden Versuch, einen Kritiker mundtot zu machen, wirklich überhaupt nichts ausgelassen. Der Ötztaler Publizist Markus Wilhelm berichtet im Netz über die Ausbaupläne der TIWAG in unverbauten Alpentälern, Vetternwirtschaft und die dubiosen Cross-Border-Leasing-Verträge von TIWAG-Kraftwerken, die immerhin in öffentlichem Eigentum stehen. Erst versuchte die Tiwag die verwendte Domain im Handstreich auszuschalten, dann wurde Wilhelm für seine Veröffentlichung mit Klagen in existenzbedrohender Höhe eingedeckt wofür die TIWAG bereits 2005 nominiert wurde. Nun kam heraus, dass der Energieversorger - Eigentümer ist das Bundesland Tirol - den Kritiker Wilhelm auch ein Detektivbüro auf den Hals gehetzt hat. Über 1000 Stunden ließ die TIWAG gegen Wilhelm ermitteln, Kostenpunkt: 152.000 Euro.

Steve Jobs: notorische Entziehung des Rechts auf Eigentum

Im August musste Apple-Chef Steve Jobs gegenüber dem "Wall Street Journal" eingestehen, dass sein Konzern in die Firmware des iPhone 3G eine Option (Backdoor) eingebaut hat, die es Apple ermöglicht, auf dem Gerät laufende Programme via Fernzugriff zu deaktivieren. Ein Jahr davor hatte Apple jene iPhones, die von ihren Besitzern zum Gebrauch in allen Telefonienetzen freigeschaltet worden waren, mit einem Firmware-Update einfach deaktiviert. Auch ansonsten herrscht bei Apple ein strenges Regiment darüber, welche Software auf iPhones und iPods verwendet werden darf. Damit ist Jobs über sein erklärtes Ziel, durch Kontrolle Qualität und Sicherheit zu gewährleisten, doch etwas hinausgeschossen. So war das mit der vernetzen und allgegenwärtigen Kommunikation nämlich nicht gemeint, dass eine Firma ihren Kunden jederzeit und überall das Eigentumsrecht über längst bezahlte Geräte entziehen kann.


Politik

Maria Fekter [ÖVP]: Schulen, Manipulation und Videos

Um Himmelswillen, die Kriminalitätsrate von Kindern unter 14 ist binnen eines Jahres um 30 Prozent gestiegen! Sofort muss Videoüberwachung an den Schulen her, um diesem Ausbruch an Jugendkriminalität Herr zu werden, forderte Innenministerin Maria Fekter. Davor hatte bereits die Datenschutzkommission der Videoüberwachung als pädagogisches Instrument eine Abfuhr erteilt. Wie umgehend nach Fekters Ankündigung aus dem Justizministerium zu erfahren war, änderte die am 1.1.2008 in Kraft getretene neue Strafprozessordnung die Zählweise: Nun besteht in allen Fällen die Pflicht zur Anzeigenerstattung bei strafunmündigen Jugendlichen.

Bei diesem eklatanten Fall versuchter Öffentlichkeitsmanipulation durch eine Ministerin zur Ausweitung der Überwachung halten sich Plumpheit und Unverschämtheit des Vorgehens in etwa die Waage.

Günter Kößl [ÖVP] und Rudolf Parnigoni [SPÖ]: Sicherheitspolizeigesetz - Mir wern kan Richter brauchen

Am Nikolaustag 2007 holten Günter Kößl und Rudolf Parnigoni, die Sicherheitssprecher von ÖVP und SPÖ, die Rute aus dem Sack: Sie schleusten die Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes durch den Nationalrat, die es der Polizei erlaubt, IP-Adressen und Handystandortdaten ohne richterliche Kontrolle abzufragen, Stichworte: "Gefahr im Verzug", "Auffindung verirrter Wanderer vermittels IMSI-Catcher". Vorbei an Innenausschuss und Datenschutzrat machten Kößl und Parnigoni das Sicherheitspolizeigesetz in einer Version beschlussreif, die zu den Handystandortdaten auch noch den Zugriff auf die IP-Adresse erlaubte. Endgültig ausgehebelt war der parlamentarische Workflow, als das Sicherheitspolizeigesetz als letzter Punkt der letzten Parlamentssitzung des Jahres kurz vor Mitternacht durch den Nationalrat ging.

Seit dem 1. Jänner 2008 definiert die Polizei allein, was "Gefahr im Verzug" bedeutet. In der Praxis heißt es jedenfalls: Ein Richter wird bei dieser Zugriffsgenehmigung nicht gebraucht. Seitdem sind die Abfragen der Behörden bei Internet-Providern und Telekoms nach Standortdaten und IP-Adressen exponentiell gestiegen. In den ersten fünf Wochen 2008 wurden die Standorte von 82 Handynutzern lokalisiert und 2.766 Anschlussinhaber ausgeforscht, 32 Anfragen laut "Die Presse" sind es täglich, bei T-Mobile geht man von noch höheren Zahlen aus.

Nebenbei wurden den Sicherheitsorganen auch 600.000 Euro zur Anschaffung von IMSI-Catchern genehmigt, denn die würden ja zur Ortung der "verirrten Tourengeher" gebraucht, so Kößl und Parnigoni. Die tatsächlichen Features eines IMSI-Catchers aber sind, sehr verkürzt: Das Gerät simuliert eine GSM-Basisstation [Handy-Mast] und zieht die Handys aus der näheren Umgebung dadurch auf sich. Sodann fragt der Catcher die internationale Kundennummer [IMSI] des Handy-Besitzers ab, deaktiviert die GSM-Verschlüsselung, um im Bedarfsfall die Telefonate mitschneiden zu können. Das allerdings ist vom Sicherheitspolizeigesetz nicht gedeckt, über dessen gesetzesmäßigen Vollzug der "Rechtsschutzbeauftragte" wacht, also ein Beamter und kein unabhängiger Richter. Passend dazu wurden die Polizeijuristen abgeschafft.

Günther Platter [ÖVP]: Kopierte Überwachungsphantasien von Wolfgang Schäuble

In seiner ebenfalls stark verkürzten Amtszeit hat Günter Platter Beachtliches in die Welt gesetzt. In Stichworten: IMSI Catcher für vermisste Tourengeher, Bundestrojaner, automatisierte Verkehrsüberwachung, Nacht- und Nebel-Sicherheitspolizeigesetz. Am beeindruckendsten war wohl die Fähigkeit dieses Innenministers, seinem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble die Worte von den Lippen abzulesen und sie dann hart an der Echtzeit zu wiederholen. Sie konnte noch so unausgegoren und technisch wahnwitzig sein, jede neue Überwachungsidee Schäubles wurde hierzulande sofort und lautstark nachgeplattert. Bei soviel Harmonie fehlte dann nur noch der feierliche Austausch eines Freundschafts-Unterpfands, der gleich einer Weltpremiere gleichkam. Als erste Länder weltweit gaben Deutschland und Österreich den wechselweisen Austausch von DNA- und Fingerabdruckdaten bekannt. Zum Beginn von Platters Amtszeit 2006 noch als "adäquat geschütztes" Land eingestuft, rangiert die Republik Österreich nun im Ranking von Privacy International als "systematischer Datenschutzversager".

Gerald Grosz [BZÖ] und Heinz-Christian Strache [FPÖ]: Fingerabdrücke auf E-Card

Eine schnell wieder zurückgezogene Forderung von Ex-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky [ÖVP] löste bei den Fingerprint-Fans der ersten Stunde BZÖ/FPÖ freudige Erregung aus. BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz, dessen Kollege Peter Westenthaler in Sachen Fingerabdrücke bereits 2001 mit einem Award und einer nochmaligen Nominierung ausgezeichnet worden war, sah "eine alte Forderung seiner Partei durchgesetzt". Westenthaler hatte bekanntlich gefordert, alle in Österreich lebenden Nicht-EU-Bürger biometrisch zu erfassen. Auch die FPÖ reagierte erst hocherfreut, dann enttäuscht, als das Vorhaben nach geharnischten Protesten der Ärztekammer blitzartig abgeblasen wurde, und schließlich mit teutonischem Trotz. Heinz Christian Strache: "Wir fordern weiterhin die Einführung einer E-Card, versehen mit Foto und Fingerabdruck." Kdolsky warf man vor, "mittlerweile erkannte mafiartige Missbrauchsstrukturen unter den Teppich kehren zu wollen." Der Hauptverband der Sozialversicherungen bezeichnete den Schaden durch Missbrauch der E-Card wörtlich als "gering", pro Fall seien eine -zig bis wenige hundert Euro zu veranschlagen.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein [ÖVP] - Arbeitslosenversicherungsgesetz

Arbeitslose gehören zweifellos zu den Unterprivilegierten der Gesellschaft. Sie dienen der Politik aber offenbar immer öfter als Experimentierfeld für grund- und datenschutzrechtliche Untergriffe und zementieren so die Ohnmachtsituation der Betroffenen.

Mit dem im Juni beschlossenen Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) wurde die Grundlage geschaffen, über Arbeitslose einen geradezu unbegrenzten Datenkatalog anzulegen. In fünf Unterkategorien gruppiert, sollen künfig hunderte Detaildaten über den Arbeitssuchenden, aber auch über seine Angehörigen gesammelt werden. Neben den nachvollziehbaren Angaben zu Ausbildungen, Beruf und Berufswünschen, sollen ganz allgemein "sonstige persönliche Umstände, die die berufliche Verwendung berühren", Partnereinkommen, Gesundheitszustand des Arbeitssuchenden und auch seiner Angehörigen, Beschäftigungsverläufe, Umstände der Auflösung von Arbeitsverhältnissen und Zusammenhänge mit Streiks erfasst und auf Dauer gespeichert werden.

Daten der Angehörigen dürften ohne Zustimmung der Betroffenen gar nicht weitergegeben werden. Arbeitslose werden damit zur Verletzung der Datenschutzbestimmungen "ermutigt". Kennzeichen der AlVG-Datensammelwut ist neben der großen Datenmenge auch die unklare Zweckbestimmung bei der Datenverwendung. So können diese Daten weitestgehend nach Gutdünken der Beamten verwendet und weitergegeben werden, solange die Verwendung der Arbeitsvermittlung "dienlich" ist. Niemand prüft oder kontrolliert jedoch diese "Dienlichkeit". In vielen Fällen legitimiert das Gesetz auch einfach nur die gängige Praxis.

Daten können an Schulungsfirmen des AMS weitergegeben werden. In der Vergangenheit wurden dort Daten als öffentliches Anschauungsmaterial verwendet und Arbeitslose vor anderen Teilnehmer bloßgestellt. Oder ein Unternehmer braucht nur ein Jobangebot vorzugeben, um an die Daten eines Arbeitslosen heranzukommen.


Behörden und Verwaltung

Daniela Strassl, Direktorin von Wiener Wohnen: 220.000 Fragebögen mit versteckter Kundennummer

Rechtzeitig vor der Wahl fiel der Geschäftsführung von "Wiener Wohnen" ein, dass sie eigentlich schon immer wissen wollte, was die Gemeindebaumieter so über ihre Wohnung, Hausanlage, Nachbarn, Umgebung, Sicherheitssituation, Hausverwaltung und die Stadt Wien denken. Der "Auftakt zu einer langfristigen direkten Kommunikation mit den Bewohnern" sollte es werden. 220.000 Fragebögen wurden ausgesandt, die ganz oben mit persönlicher Anrede [Nachname] versehen waren. Ganz unten trugen auf Seite zwei sie den Hinweis, dass dieser Fragebogen "gerne auch anonym" eingesandt werden könnte. Also: man könne den aufgedruckten Namen auch unkenntlich machen.

Der zuständige Stadtrat Michael Ludwig [SPÖ] antwortete auf diesbezügliche Fragen zudem so: Da stehe ja nur der Familienname zur persönlichen Anrede, aber nicht einmal der volle Name und die Adresse am Fragebogen. Wer freilich genauer hinsah, dem fiel auf Seite zwei ein Barcode von perfider Unscheinbarkeit auf. Dieser Strichcode diene nur der Zuordnung des Fragebogens zu den Verwaltungssprengeln, sagte der Wohnbaustadtrat dazu.

Wie mit einem Barcode-Lesegerät festgestellt werden konnte - nur damit ist der Inhalt des Codes lesbar - ist das im günstigsten Falle irreführend. Der seitlich angebrachte Strichcode enthält nämlich die volle "Wiener Wohnen" Kundennummer des Mieters. Damit ist jeder Fragebogen direkt mit dem vollen Datensatz des Gemeindebaumieters verknüpfbar. Die dort vorhandenen Stammdaten inklusive Zahlungsgewohnheiten ergänzen sich prächtig mit den erhobenen Informationen: Verträgt sich der Mieter mit den Nachbarn? Hat er vielleicht vor, ausziehen?

Nach Ansicht der Jury hat auf diesem Bogen jedenfalls eine Frage gefehlt: "Sind sie sicher, dass sie nichts zu verbergen haben?"

EU-Handelskommissar Peter Mandelson: ACTA, "Anti-Piraterie"-Geheimvertrag

Seit 2007 drängen die USA und Frankreich in Allianz mit den üblichen "Rechteinhabern" auf den zügigen Abschluss eines Antipiraterie-Geheimpakts unter dem Namen Anti-Counterfeiting Trade Agreement [ACTA]. Seit 2008 verhandelt auch die EU-Kommission unter absoluter Geheimhaltung mit, zwar gab es eine öffentliche Konsultation, worüber man eigentlich sprach, wussten die Konsultierten freilich nicht. Bis heute wurde der Öffentlichkeit nämlich kein Text für diesen Vertrag vorgelegt, der nach Willen der USA und Frankreichs noch heuer unterschriftsreif werden sollte. NGOs und Bürgerrechtler von der AIDS-Hilfe bis hin zur Free Software Foundation fürchten, dass ihre Arbeit durch neue Restriktionen im Namen des Kampfes für das vielbeschworene "geistige Eigentum" behindert werden könnte. Zum einen hätten neue Restriktionen gegen Generika oder auch Re-Importe schlimme Auswirkungen auf die ohnehin mit Medikamenten unterversorgten Entwicklungsländer. Zum anderen würde ein konzertiertes Vorgehen gegen Tauschbörsen einen der wichtigsten Vertriebswege für freie Linux-Distributionen abschneiden. Datenschützer wiederum befürchten, dass die USA ihre mittlerweile übliche Praxis, am Zoll anlasslose Kontrollen des Inhalts von Notebooks, iPods und Handys durchzuführen, in diesem Vertragswerk festschreiben wollen. Auf wiederholte Anfragen geben sich sowohl EU-Kommissar Peter Mandelson als auch der in Österreich zuständige Wirtschaftsminister Martin Barteinstein [ÖVP] bedeckt und verweigern konsequent die Herausgabe konkreter Informationen über den Stand der ACTA-Verhandlungen.

Mathias Vogl [Sektionschef], Alois Lißl [Sicherheitsdirektor Oberösterreich] und Franz Lang [Kabinettschef im Innenministerium]: Koordination des Skandals um die Weitergabe sensibler Daten im Fall Zogaj

Als der Druck der Öffentlichkeit auf Innenminister Günther Platter, die von Abschiebung bedrohte Familie Zogaj nicht auszuweisen, gerade am größten war, geschah Bezeichnendes. Zwischen 1. und 3. Oktober verzeichnet das Polizei-Informationssystem EKIS allein 37 Abfragen nach dem Namen Zogaj von einem Beamten in Oberösterreich. Auch von Wiener Beamten wurde genau in diesem Zeitraum im EKIS der Name "Zogaj" zigfach abgefragt. Die Daten gingen an Alois Lißl, Sicherheitsdirektor in Oberösterreich und an Franz Lang, den damaligen stellvertretenden Generaldirektor für öffentliche Sicherheit und heutigen Kabinettschef im Innenministerium. Laut Dienstbericht erkundigte sich Lißl am Abend es 1. Oktober über den neuesten Stand im Fall Zogaj. Eine Stunde später bedankte sich Lang für das "äußerst kompetente Krisenmanagement" der Kollegen.

Parallel dazu erschienen Medienberichte und prompt trat eine Reihe von Entscheidungsträgern wie etwa Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer [ÖVP] oder Martin Gschwandtner, stellvertretender Bezirkshauptmann von Vöcklabruck [ÖVP], an die Öffentlichkeit. Der Tenor: Mitglieder der Familie Zogaj hätten eine kriminelle Vergangenheit. Man verrate damit auch keine Geheimnisse, sondern wiederhole nur öffentlich Bekanntes, war die Rechtfertigung.

Zusammen mit einer entsprechenden Presseaussendung stellte auch Sektionschef Vogl sogar Bilder aus dem Ermittlungsakt ins Internet. Nach heftigen Protesten und einer Anzeige verschwand diese wieder.

Denn plötzlich kursierten in den Medien auch Daten der Zogajs aus dem Kriminalpolizeilichen Aktenindex, der alle Anzeigen speichert, auch wenn sie sich später als haltlos erwiesen haben. Dabei handelt es sich um die mithin sensibelste Datensammlung des Innenministeriums. Die "kriminelle Vergangenheit" der siebenköpfigen Familie aber sah so aus: Nach einer Auseinandersetzung in einer Disco war ein Zogaj-Sohn ohne Strafe schuldig gesprochen worden, die mildeste Sanktion, die das Jugendstrafrecht kennt.

Nun ermitteln Beamte des Innenministeriums gegen ihren Ex-Minister und gegen Kollegen wegen illegaler Weitergabe von vertraulichen Daten. Wieder einmal, denn Beamte des Innenministeriums verursachen mit beunruhigender Regelmäßigkeit den jeweils größten, aktuellen Datenschutzskandal der Republik.

Nach dem Auffliegen der sogenannten Spitzelaffäre im Jahr 2000 hatte der blaue Polizeigewerkschafter Josef Kleindienst gestanden, FPÖ-Politiker jahrelang mit vertraulichen Daten aus dem EKIS beliefert zu haben. Verwendungszweck: Um Kritiker zu diskreditieren.

EU-Kommission: Was ein öffentliches Dokument ist, bestimmen wir

Die EU-Kommission will das Gesetz über den öffentlichen Zugang zu EU-Dokumenten ändern. Zu den Vorschlägen der Kommission zählt etwa, dass EU-Papiere nur dann als "Dokumente" im Sinne des Gesetzes betrachtet werden sollen, wenn die EU-Institutionen sie auch zu solchen erklären und in entsprechenden Registern aufführen. Damit, so Kritiker wie die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch, könnten die EU-Bürokraten selbst und unkontrolliert darüber entscheiden, welche Papiere nun "Dokumente" seien und von den Bürgern eingesehen werden könnten und welche nicht. Damit ließen sich lästige Diskussionen in der Öffentlichkeit sehr einfach vermeiden. Bis zur Entscheidungsfindung in heiklen Fragen könnte man EU-intern nach diesem Muster so lange mit "Nicht-Dokumenten" arbeiten, auf die es halt keinen Zugriff für die Öffentlichkeit gibt, bis vollendete Tatsachen geschaffen sind: Keine Information bedeutet eben auch "keine Diskussion". EU-Ombudsmann Nikiforos Diamandouros hat sich öffentlich scharf gegen diesen Vorstoß der Kommission gewandt.

Wissenschaftsminister Johannes Hahn [ÖVP]: E-Voting um jeden Preis

Unermüdlich verfolgt Wissenschaftsminister Johannes Hahn das Projekt, bei den Hochschülerschaftswahlen E-Voting via Internet mittels Bürgerkarte einzuführen. Dass sich die eigentlich Betroffenen - die ÖH-Vorstände - seit Jahren gegen die Einführung von E-Voting aussprechen, ficht Hahn nicht an: Geht es doch darum, das seit Jahren untote Bürgerkartenprojekt wiederzubeleben und einen Präzedenzfall für künftige Nationalratswahlen zu schaffen. Ende September musste Hahn die Notbremse ziehen, da die Ausschreibung des E-Voting-Systems beeinsprucht wurde. Durch den Rückzug der Ausschreibung verhinderte Hahn zumindest, dass das Bundesvergabeamt sich näher mit den Gründen für die Einsprüche beschäftigt. Auch der Datenschutzrat hatte schwere Zweifel angemeldet: E-Voting könne die in der Verfassung verankerten fundamentalen Grundsätze einer freien, geheimen und persönlichen Wahl nicht erfüllen.

Bremsen lässt sich der österreichische Wissenschaftsminister weder vom Widerstand der Bürger noch von der eigenen Ungeschicklichkeit. Das Ministerium sieht seine E-Voting-Pläne auch nach dem Ausschreibungs-Flop weiterhin auf Schiene. Der hauptsächliche Grund für diese Beharrlicheit: Da der Anteil konservativer Stimmen unter den Briefwählern stets signifikant höher ist als unter der Gesamtwählerschaft, erwartet man denselben Trend auch beim E-Voting. Die Partikularinteressen einer Partei werden also über die in der Verfassung verankerten fundamentalen Grundsätze einer freien, geheimen und persönlichen Wahl gestellt.

Bundeswahlbehörde - Briefwahl

Dass Briefwahlen wie jede "Fernstimmabgabe" an sich problematisch sind, war bekannt. Wie sie von der Bundeswahlbehörde aber umgesetzt wird, öffnet eine weitere Front. Das Kuvert mit dem Wahlzettel ist zwar physisch von jenem Kuvert, das die Identifikation des Wahlberechtigten enthält, separiert: Es wird verschlossen beigelegt. Dafür stehen aber am Aussenkuvert neben dem vollen Namen, der Wohnadresse, dem Geburtsdatum und einer Unterschrift des Wahlberechtigten. Das sind behördlich geprüfte, also wertvolle Daten, die von jedem, der mit dem Kuvert in Berührung kommt, leicht kopierbar sind.

Ein weiteres Kuvert oder eine andere Anbringung der Daten würde nicht nur dieses Problem lösen. Wären die Stammdaten des Wahlberechtigten nicht von außen sichtbar würde zudem das Wahlgeheimnis stärker gegen Missbrauch geschützt: Es wäre nicht mehr möglich, gezielt nach einer bestimmten Person suchen, ohne alle durchsuchten Stimmen ungültig zu machen. Vorsitzende der Wahlbehörde ist übrigens Innenministerin Maria Fekter, einer ihrer Stellvertreter ist Matthias Vogl, beide sind für die Big Brother Awards 2008 nominiert.


Kommunikation und Marketing

Larry Page, Sergey Brin & Eric Schmidt – Die Google-Datenjäger

Zum 10-Jahres-Jubiläum stellte sich das Google-Triumvirat Larry Page, Sergey Brin und Eric Schmidt mit einem besonderen Geschenk ein – sie präsentierten der Internet-Gemeinde einen Browser, der schneller, sicherer und besser sein sollte. Mit schneller und besser war wohl die Spionage-Fähigkeit von Chrome gemeint, denn er "telefoniert nach Hause" und versorgt die Google-Datenzentren mit Infos über die Nutzer. Die Sicherheit der Benutzerdaten sah beim Release so aus: Die von Chrome gespeicherten Passwörter für diverse Websites werden etwa im Klartext auf der Festplatte gespeichert. Das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat - das ist ein Novum - vor der Benutzung eines Browser, nämlich Chrome, gewarnt. In Kombination mit Cookies und dem Gratis-Webanalyse-Tool Google Analytics, das in etwa 80 Prozent der Top-300.000-Seiten des Web integriert ist und ohne Wissen der Nutzer Daten zu den Google-Servern schickt, hat Google mittlerweile eine große Ansammlung an Spionage-Tools entwickelt. Vorerst komplettiert durch das erste Android-Handy, das die Nutzer-Profile um Standortdaten und Telefonnummern ergänzt. Dass Sergey Brin seit September die Werbetrommel für das Genanalyse-Unternehmen seiner Gattin rührt, ist typisch. Jeder solle sich eine Genanalyse anfertigen lassen, fordert Brin in seinem Blog – auf dass unsere Profile noch detaillierter werden, denn an dem Unternehmen 23andMe ist Google außerdem beteiligt.

UPC - Aus österreichischen Tippfehlern werden US-Werbeprofile

In welcher Situation ist eine Person wenn sie eigentlich "schwangerschaftsberatung.at" ansehen wollte? Welche Rückschlüsse lassen sich auf das persönliche Umfeld eines Menschen ziehen, der versehentlich "gebrauchtwagn.at" oder "jobbörse..at" eintippt? Und was ist, wenn die aus all diesen Fehlern generierte Information automatisiert in den USA zur Anlage von Werbeprofilen verknüpft wird, ohne dass der User davon eine Ahnung hat?

Der Internet-Provider UPC/Chello testet in Österreich einen Service mit dem sich viele andere Provider und selbst Internetregistrar Verisign schon vor Jahren eine blutige Nase geholt haben. Das von UPC verwendete System der US-Firma Nominum fängt Tippfehler bei der Adresseingabe im Browser ab und leitet sie an den kommerziellen Werbe- und Suchdienst InfoSpace weiter. Das passiert ungefragt für alle, ausser man meldet sich aktiv davon ab oder betreibt einen eigenen Nameserver. Alle anderen werden von Infospace mit kommerziellen Werbebannern und einem eindeutigen Cookie beglückt, Ablaufdatum: das Jahr 2108 [sic!].

Auch wenn UPC beteuert, während der mehrmonatigen Testphase noch kein Geld daran zu verdienen, sind Werbeprofile mit angereicherten Tiefendaten viel Geld wert. Tatsache ist, dass ein großer österreichischer Provider die Privatsphäre seiner Kunden ungefragt an ausländische Werbefirmen verscherbelt, die zu weit entfernt sind um europäischen Datenschutzbestimmungen zu entsprechen.

Marcus Riecke, Geschäftsführer StudiVZ: "Wer seine Daten schützt, der fliegt"

Das beliebte, deutsche "Social Network" StudiVZ, das auch in Österreich viele Benutzer hat, änderte zum 9. Jänner 2008 die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Inhaber der rund vier Millionen Profile sollten mit personalisierter Werbung angesprochen werden, die auf Alter, Geschlecht, Wohn- und Studienort sowie Studienfach zugeschnitten ist. Voraussetzung dafür ist Tracking und die Erstellung eines Meta-Profils, das in puncto Aussagekraft weit über die freiwilligen Angaben der User hinausgeht.

Wortlaut: "Ich erkläre mich damit einverstanden, dass studiVZ diese in den so genannten Protokolldateien gespeicherten Daten auswertet und analysiert, um das studiVZ-Netzwerk und seine Anwendungen zu optimieren sowie um mir gezielt personalisierte Werbung und/oder besondere Angebote und Services über das studiVZ-Netzwerk zu präsentieren bzw. präsentieren zu lassen"

Wer den neuen Konditionen nicht zustimme, würde nach einer knappen Übergangsfrist weder auf sein womöglich seit Jahren ausgebautes Benutzerprofil samt Bildern noch seine Kommunikation zugreifen können. Im Klartext also: Wer seine angesammelten, persönlichen Daten schützen will, der fliegt. Nach heftigen Protesten erklärte sich die Geschäftsführung letztendlich bereit, eine Opt-out-Funktion anzubieten, mit der Mitglieder zielgerichtete Werbung und damit auch User-Tracking ablehnen könnten.

Ende August waren die Social-Networking-Seiten StudiVZ, MeinVZ und SchülerVZ wieder ins Gerede gekommen. Eine Schwachstelle in ihren Portalen gab Zutritt zu nicht freigegebenen, also privaten Fotoalben. Zwar waren die gesperrten Alben in den Profilen der Nutzer nicht verlinkt, durch eine einfache Manipulation der URL ließen sie sich jedoch ohne Weiteres aufrufen.

Post AG - Notorischer Datenhändler

Es gibt Ersttäter, Rückfällige und Gewohnheitsstäter - und es gibt die österreichische Post AG, die unbeirrt ein und dasselbe Ziel verfolgt. Die persönlichen Daten ihrer Kunden weiterzuverkaufen. 2001 wurden die Postler für ihre Kollaboration mit dem Datenhändler Schober bereits mit einem Award ausgezeichnet. Schober bot die persönlichen Daten "von allen 5,5 Millionen erwachsenen Privatpersonen in Österreich mit bis zu 100 marketing-relevanten Merkmalen pro Person" an. 2003 setzte es Award Nummer zwei für die Datenerhebungspraxis über ein Formular, an dem in Österreich niemand vorbeikommt, der die Adresse wechselt. Mit Erteilung eines Nachsendeauftrags stimmte man automatisch der Datenweitergabe zu. Wer das nicht wollte, musste ein zweites Formular zum Widerruf ausfüllen. 2008 ist die Passage zum Widerruf zwar auf dem [Papier]-Formular vorhanden, aber im Kleingedruckten so gut versteckt, dass sie kaum wahrgenommen wird. Wer seinen Antrag im Netz ausfüllt, hat auf direktem Weg keine Chance, die Weitergabe der Daten abzulehnen, denn das Formular enthält kein Feld, das diese Option anbietet. Die einzige Möglichkeit ist, die entsprechende Passage auf dem Ausdruck manuell durchzustreichen.

Seit Anfang 2008 verlangt die Post bei Nachnahmesendungen jetzt auch die Bekanntgabe von Geburtsdatum und -ort. Dabei beruft man sich auf EU-Vorgaben zur Bekämpfung von "Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung".