Preistraeger
Aus Big Brother Awards 2008
Die Jury und das Publikum haben entschieden: die Big Brother Awards Austria 2008 gehen an ...
Business und Finanzen
Bruno Wallnöfer, TIWAG Vorstandsvorsitzender: Mit Detektiven gegen Kritiker
Der Tiroler Energieversorger hat bei seinem beinahe vier Jahre währenden Versuch, einen Kritiker mundtot zu machen, wirklich überhaupt nichts ausgelassen. Der Ötztaler Publizist Markus Wilhelm berichtet im Netz über die Ausbaupläne der TIWAG in unverbauten Alpentälern, Vetternwirtschaft und die dubiosen Cross-Border-Leasing-Verträge von TIWAG-Kraftwerken, die immerhin in öffentlichem Eigentum stehen. Erst versuchte die Tiwag die verwendte Domain im Handstreich auszuschalten, dann wurde Wilhelm für seine Veröffentlichung mit Klagen in existenzbedrohender Höhe eingedeckt wofür die TIWAG bereits 2005 nominiert wurde. Nun kam heraus, dass der Energieversorger - Eigentümer ist das Bundesland Tirol - den Kritiker Wilhelm auch ein Detektivbüro auf den Hals gehetzt hat. Über 1000 Stunden ließ die TIWAG gegen Wilhelm ermitteln, Kostenpunkt: 152.000 Euro.
- http://tirol.orf.at/stories/267022
- http://www.politikportal.at/presseaussendung.php?schluessel=OTS_20080329_OTS0006
- http://dietiwag.org/index.php?id=2630
- http://www.heise.de/newsticker/Tiroler-Wasserkraft-Schweigeklage-gegen-Online-Kritiker-abgewiesen--/meldung/117041
- http://www.heise.de/newsticker/TIWAG-at-kritische-Website-bleibt-online--/meldung/58314
- http://bigbrotherawards.at/2005/Nominierungen.html
Politik
Günter Kößl [ÖVP] und Rudolf Parnigoni [SPÖ]: Sicherheitspolizeigesetz - Mir wern kan Richter brauchen
Am Nikolaustag 2007 holten Günter Kößl und Rudolf Parnigoni, die Sicherheitssprecher von ÖVP und SPÖ, die Rute aus dem Sack: Sie schleusten die Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes durch den Nationalrat, die es der Polizei erlaubt, IP-Adressen und Handystandortdaten ohne richterliche Kontrolle abzufragen, Stichworte: "Gefahr im Verzug", "Auffindung verirrter Wanderer vermittels IMSI-Catcher". Vorbei an Innenausschuss und Datenschutzrat machten Kößl und Parnigoni das Sicherheitspolizeigesetz in einer Version beschlussreif, die zu den Handystandortdaten auch noch den Zugriff auf die IP-Adresse erlaubte. Endgültig ausgehebelt war der parlamentarische Workflow, als das Sicherheitspolizeigesetz als letzter Punkt der letzten Parlamentssitzung des Jahres kurz vor Mitternacht durch den Nationalrat ging.
Seit dem 1. Jänner 2008 definiert die Polizei allein, was "Gefahr im Verzug" bedeutet. In der Praxis heißt es jedenfalls: Ein Richter wird bei dieser Zugriffsgenehmigung nicht gebraucht. Seitdem sind die Abfragen der Behörden bei Internet-Providern und Telekoms nach Standortdaten und IP-Adressen exponentiell gestiegen. In den ersten fünf Wochen 2008 wurden die Standorte von 82 Handynutzern lokalisiert und 2.766 Anschlussinhaber ausgeforscht, 32 Anfragen laut "Die Presse" sind es täglich, bei T-Mobile geht man von noch höheren Zahlen aus.
Nebenbei wurden den Sicherheitsorganen auch 600.000 Euro zur Anschaffung von IMSI-Catchern genehmigt, denn die würden ja zur Ortung der "verirrten Tourengeher" gebraucht, so Kößl und Parnigoni. Die tatsächlichen Features eines IMSI-Catchers aber sind, sehr verkürzt: Das Gerät simuliert eine GSM-Basisstation [Handy-Mast] und zieht die Handys aus der näheren Umgebung dadurch auf sich. Sodann fragt der Catcher die internationale Kundennummer [IMSI] des Handy-Besitzers ab, deaktiviert die GSM-Verschlüsselung, um im Bedarfsfall die Telefonate mitschneiden zu können. Das allerdings ist vom Sicherheitspolizeigesetz nicht gedeckt, über dessen gesetzesmäßigen Vollzug der "Rechtsschutzbeauftragte" wacht, also ein Beamter und kein unabhängiger Richter. Passend dazu wurden die Polizeijuristen abgeschafft.
- http://futurezone.orf.at/it/stories/241096/
- http://futurezone.orf.at/it/stories/241208/
- http://futurezone.orf.at/it/stories/242015/
- http://futurezone.orf.at/it/stories/288198/
- http://derstandard.at/?id=3145673
- http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/370803/index.do
Behörden und Verwaltung
Daniela Strassl, Direktorin von Wiener Wohnen: 220.000 Fragebögen mit versteckter Kundennummer
Rechtzeitig vor der Wahl fiel der Geschäftsführung von "Wiener Wohnen" ein, dass sie eigentlich schon immer wissen wollte, was die Gemeindebaumieter so über ihre Wohnung, Hausanlage, Nachbarn, Umgebung, Sicherheitssituation, Hausverwaltung und die Stadt Wien denken. Der "Auftakt zu einer langfristigen direkten Kommunikation mit den Bewohnern" sollte es werden. 220.000 Fragebögen wurden ausgesandt, die ganz oben mit persönlicher Anrede [Nachname] versehen waren. Ganz unten trugen auf Seite zwei sie den Hinweis, dass dieser Fragebogen "gerne auch anonym" eingesandt werden könnte. Also: man könne den aufgedruckten Namen auch unkenntlich machen.
Der zuständige Stadtrat Michael Ludwig [SPÖ] antwortete auf diesbezügliche Fragen zudem so: Da stehe ja nur der Familienname zur persönlichen Anrede, aber nicht einmal der volle Name und die Adresse am Fragebogen. Wer freilich genauer hinsah, dem fiel auf Seite zwei ein Barcode von perfider Unscheinbarkeit auf. Dieser Strichcode diene nur der Zuordnung des Fragebogens zu den Verwaltungssprengeln, sagte der Wohnbaustadtrat dazu.
Wie mit einem Barcode-Lesegerät festgestellt werden konnte - nur damit ist der Inhalt des Codes lesbar - ist das im günstigsten Falle irreführend. Der seitlich angebrachte Strichcode enthält nämlich die volle "Wiener Wohnen" Kundennummer des Mieters. Damit ist jeder Fragebogen direkt mit dem vollen Datensatz des Gemeindebaumieters verknüpfbar. Die dort vorhandenen Stammdaten inklusive Zahlungsgewohnheiten ergänzen sich prächtig mit den erhobenen Informationen: Verträgt sich der Mieter mit den Nachbarn? Hat er vielleicht vor, ausziehen?
Nach Ansicht der Jury hat auf diesem Bogen jedenfalls eine Frage gefehlt: "Sind sie sicher, dass sie nichts zu verbergen haben?"
- Vorderseite: http://www.flickr.com/photos/forumsfratz/2875737572/sizes/l
- Rückseite: http://www.flickr.com/photos/forumsfratz/2875736756/sizes/l
- http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3902&cob=372799
- http://www.kurier.at/nachrichten/wien/203752.php
- Wiener Bezirkszeitung 18/2008, S. 22
- http://quintessenz.at/d/000100004733
Kommunikation und Marketing
UPC - Aus österreichischen Tippfehlern werden US-Werbeprofile
In welcher Situation ist eine Person wenn sie eigentlich "schwangerschaftsberatung.at" ansehen wollte? Welche Rückschlüsse lassen sich auf das persönliche Umfeld eines Menschen ziehen, der versehentlich "gebrauchtwagn.at" oder "jobbörse..at" eintippt? Und was ist, wenn die aus all diesen Fehlern generierte Information automatisiert in den USA zur Anlage von Werbeprofilen verknüpft wird, ohne dass der User davon eine Ahnung hat?
Der Internet-Provider UPC/Chello testet in Österreich einen Service mit dem sich viele andere Provider und selbst Internetregistrar Verisign schon vor Jahren eine blutige Nase geholt haben. Das von UPC verwendete System der US-Firma Nominum fängt Tippfehler bei der Adresseingabe im Browser ab und leitet sie an den kommerziellen Werbe- und Suchdienst InfoSpace weiter. Das passiert ungefragt für alle, ausser man meldet sich aktiv davon ab oder betreibt einen eigenen Nameserver. Alle anderen werden von Infospace mit kommerziellen Werbebannern und einem eindeutigen Cookie beglückt, Ablaufdatum: das Jahr 2108 [sic!].
Auch wenn UPC beteuert, während der mehrmonatigen Testphase noch kein Geld daran zu verdienen, sind Werbeprofile mit angereicherten Tiefendaten viel Geld wert. Tatsache ist, dass ein großer österreichischer Provider die Privatsphäre seiner Kunden ungefragt an ausländische Werbefirmen verscherbelt, die zu weit entfernt sind um europäischen Datenschutzbestimmungen zu entsprechen.
- http://www.heise.de/newsticker/Oesterreichischer-Provider-UPC-testet-Sitefinder-Dienst--/meldung/115354
- http://www.nominum.com./products/vantio_nxr.php
- http://www.bankkaufmann.com/a-70679-Nominum-bietet-mit-Vantio-NXR-neue-Services-fuer-Kunden-von-Breitband-Providern.html
- http://nxr.chello.at/upcatassist/dnsassist/main?domain=www.schwangersschaftsberatung.at
- http://xdsl.at/viewtopic.php?t=42713&postdays=0&postorder=asc&start=0
- http://www.netzwerklabor.at/kramuri/sitefinder/
Lebenslanges Ärgernis
Post AG - Notorischer Datenhändler
Es gibt Ersttäter, Rückfällige und Gewohnheitsstäter - und es gibt die österreichische Post AG, die unbeirrt ein und dasselbe Ziel verfolgt. Die persönlichen Daten ihrer Kunden weiterzuverkaufen. 2001 wurden die Postler für ihre Kollaboration mit dem Datenhändler Schober bereits mit einem Award ausgezeichnet. Schober bot die persönlichen Daten "von allen 5,5 Millionen erwachsenen Privatpersonen in Österreich mit bis zu 100 marketing-relevanten Merkmalen pro Person" an. 2003 setzte es Award Nummer zwei für die Datenerhebungspraxis über ein Formular, an dem in Österreich niemand vorbeikommt, der die Adresse wechselt. Mit Erteilung eines Nachsendeauftrags stimmte man automatisch der Datenweitergabe zu. Wer das nicht wollte, musste ein zweites Formular zum Widerruf ausfüllen. 2008 ist die Passage zum Widerruf zwar auf dem [Papier]-Formular vorhanden, aber im Kleingedruckten so gut versteckt, dass sie kaum wahrgenommen wird. Wer seinen Antrag im Netz ausfüllt, hat auf direktem Weg keine Chance, die Weitergabe der Daten abzulehnen, denn das Formular enthält kein Feld, das diese Option anbietet. Die einzige Möglichkeit ist, die entsprechende Passage auf dem Ausdruck manuell durchzustreichen.
Seit Anfang 2008 verlangt die Post bei Nachnahmesendungen jetzt auch die Bekanntgabe von Geburtsdatum und -ort. Dabei beruft man sich auf EU-Vorgaben zur Bekämpfung von "Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung".
- http://app.post.at/onlinenachsendeauftrag/
- http://www.bigbrotherawards.at/2001/winners/2001.shtml
- http://www.bigbrotherawards.at/2003/nominees/winners_2003.php#komm
- http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=53272egh
- http://salzburg.orf.at/stories/265853/
- http://help.orf.at/?story=8020
- http://help.orf.at/?story=8168
- Mon, 20 Oct 2008 16:55 Pressesprecher Michael Homola teilt mit, dass Post-Generaldirektor Anton Wais die Gala wegen eines Auslandsaufenthaltes nicht besuchen kann. Ein Vertreter wurde nicht benannt.
Publikumspreis
Telekom-Austria: Kundendaten für die Porno-Industrie
Die in Deutschland grassierende Abmahnwelle - im letzten Jahr wurden nach übereinstimmenden Schätzungen etwa 150.000 Menschen wegen angeblicher Verletzung der Urheberrechte abgemahnt - ist im Herbst 2008 nach Österreich übergeschwappt. Auf Begehren einer Vorarlberger Anwaltskanzlei, die im Auftrag von Pornofirmen tätig wurde, gab die Telekom Austria die persönlichen Daten der Kunden von hunderten Breitbandanschlüssen weiter. In hart an der Drohung formulierten Mahnschreiben forderte man eine Pauschalgebühr von rund 800 Euro für den Download "urheberrechtsgeschützter Werke" die Rechteinhabern wie "Cazzo Film" oder "Muschi Movie" gehören. Die Telekom Austria berief sich erst auf die Rechtslage: Laut OGH-Entscheid sei man verpflichtet, bei Urheberrechtsverletzungen Stammdaten und IP-Adressen der Kunden herauszugeben. Weder der Verband der Internet-Provider [ISPA], noch die Mitbewerber der TA - also alle anderen - teilen diese Rechtsansicht, Bedingung für die Datenweitergabe ist für sie immer noch der Beschluss eines ordentlichen Gerichts. Dass man bei auch der TA von der eigenen Rechtsmeinung nicht wirklich überzeugt war, beweist der Schwenk: Nach lautstarken Protesten der Kunden wurde die Datenweitergabe abgestellt.
Zur ursprünglichen Entscheidungsfindung, also die Daten ihrer Kunden überhaupt und freiwillig weiterzugeben mag erstens beigetragen haben: Pro Anfrage im Auftrag von "Muschi Film" und Co wurde dieselbe Gebühr verrechnet, die laut Verordnung für gerichtlich angeordnete Überwachungen eingehoben wird. Das sind rund 100 Euro, bei den geforderten 800 Euro ist das ein Schnitt von 12,5 Prozent pro Fall und insgesamt ein schönes Körberlgeld, zumal der gesamte Aufwand eine simple Datenbankabfrage ist.
Warum die Telekom, zweitens, nicht gegenüber einem Medienkonzern, sondern gegenüber Porno-Winzlingsfirmen schwach geworden ist, passt ebenso ins Bild. Aus einer Unzahl von einschlägigen Betrugsfällen - Rechnungslegung ohne Leistung und andere Abzockereien - ist bekannt, dass die Betroffenen in der Regel stillschweigend bezahlen, da in Zusammenhang mit Pornos niemand seinen Namen öffentlich genannt haben will.
- http://diepresse.com/home/techscience/internet/sicherheit/423309/index.do
- http://derstandard.at/Text/?id=1224169825646
- http://derstandard.at/Text/?id=1224169785885
- http://www.abmahnwahn-dreipage.de/
- Kontext: Kategorien und Nominierte 2008
- Gewinner-Reaktionen werden selbstverständlich im vollen Wortlaut wiedergegeben und an dieser Stelle verlinkt