#BBA21 Die Game Changer ... ja nur keine Krise ungenützt verstreichen lassen

In der Kategorie "Behörden und Verwaltung" wurden nominiert:

Wie jedes Jahr haben alle Nominierten die Möglichkeit, sich mit Kommentaren an info@bigbrotherawards.at zu wenden. Wir veröffentlichen dann die Reaktionen unter der jeweiligen Nominierung.

Laut Minister Faßmann keine österreichische Schul-Cloud denkbar

Die Integration digitaler Dienste in unterschiedliche Aspekte des Schulunterrichts ist eine Notwendigkeit. Der Unterricht wurde durch die Covid-19-Pandemie um den Aspekt des Home Schoolings / Distance Learnings massiv erweitert. Fernunterricht oder Distance Learning war für alle Schulen im Zuge des Lockdowns während der Covid-19-Pandemie eine neue Erfahrung und stellte alle Beteiligten – Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte sowie die Erziehungsberechtigten – vor besondere Herausforderungen. [1]

Kein Wunder, dass dies eine besondere Herausforderung beim Aufbau der notwendigen Infrastruktur darstellt, insbesondere wenn man sich die Anzahl möglicher Benutzerinnen und Benutzer, von mehr als 1 Million, vor Augen führt.

Circa 1,2 Millionen Schülerinnen und Schüler, etwa 120.000 Lehrerinnen und Lehrer und ungefähr 6000 Schulen müssen auf ein derartiges Computersystem zugreifen können. Keine einfache Lösung, wenn man über Nacht so eine Infrastruktur aufbauen soll, weil bisher die Digitalisierung nicht entsprechend berücksichtigt wurde und damit
“ist derzeit eine Hostinglösung, die für diese Größe performant skaliert, in Rechenzentren der öffentlichen Hand nicht realisierbar. Eine Verlagerung der Server auf einzelne Schulstandorte bzw. eine BYOD (bring your own device)-Lösung am schülereigenen Endgerät würden zu deutlich höheren IT-Sicherheitsrisiken als der Betrieb bei einem privaten Clouddiensteanbieter führen.” [2]

Da in den letzten Jahren keine Österreichische oder Europäische Lösung gefördert oder aufgebaut wurde, bleibt in der Kürze der Zeit nur der Rückgriff auf bestehende Cloudanbieter, was bedeutet, dass die Daten österreichischer Schüler von deren Systemen verarbeitet und gespeichert werden. Womit sich automatisch die Frage des Datenschutzes stellt.

Das Ministerium stützt sich in dieser Sache auf “Rahmenbedingungen für den Einsatz privater Clouddiensteanbieter im IT-gestützten Unterricht” - einer Einschätzung des eigenen Datenschutzbeauftragten vom 25.9.2020. Darin wird festgehalten: „Clouddienst bedeutet, dass das BMBWF mit privaten Clouddiensteanbietern eine datenschutzrechtliche Rahmenvereinbarung für alle Bildungseinrichtungen abschließt bzw. die Datenschutzbestimmungen des jeweiligen Clouddiensteanbieters akzeptiert, die auf den Standardvertragsklauseln beruhen, und die Schule beschließt bzw. ruft konkret die Nutzung eines Clouddiensteanbieters ab (derzeit: Apple, Google, Microsoft).“ [3]

Das österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung unter Minister Faßmann vertritt hier die Position, dass es einfacher ist, US-Cloud-Anbieter als Dienstleister zu wählen, als eigene lokale Lösungen zu suchen, zu unterstützen oder aufzubauen. Dazu ist man auch noch bereit, die Datenschutzbestimmungen der Anbieter zu akzeptieren. Gleichzeitig findet man auf der Website des Ministeriums zum Thema “Datenschutz in Schulen” den Hinweis, dass “Im Zuge der Schulverwaltung an österr. Schulen erfolgt grundsätzlich keine Datenübermittlung an Staaten außerhalb der EU.” [4]
Wie diese Widersprüche aufzulösen sind, wird vom Ministerium nicht erklärt. Man könnten annehmen, dass Daten in Rechenzentren in Europa gespeichert werden, allerdings sind diese den US-Anbietern zuzuordnen, die us-amerikanischen Gesetzen unterliegen.

Schon 2019 hatte die Arge Daten darauf hingewiesen, dass österr. Bildungsdaten - d.h. Daten von Schülern, Eltern und Lehrern bei Google landen und darauf verwiesen, dass sich sowohl das Ministerium als auch die zuständige Bildungsdirektion als unwissend dargestellt haben. Die ArgeDaten bezeichnet dies als endgültige Kapitulation vor dominierenden US-Anbietern und verweist auf die Tatsache, dass sich die geforderte digitale Bildung damit auf das konsumorientierte Bedienen von datenschutzrechtlich problematischen Produkten reduziert. [5]

Der Minister und das Ministerium sind also bereit, die digitale Infrastruktur für das gesamte österreichische Bildungssystem US-Konzernen zu überlassen!

Gleichzeitig findet man auf der Plattform “Digitale Schule” des Bundesministeriums eine
Roadmap bis 2024 mit acht Punkten, die umgesetzt werden sollen. [6] Wobei keiner dieser acht Punkte auf den Aufbau einer eigenen Infrastruktur verweist. Man könnte der Ansicht sein, dass gerade das Bildungsministerium besonderes Augenmerk auf den Umgang mit allen Daten aus dem Bildungsbereich legt und nachdem es auch für Forschung zuständig ist, in diesem Bereich Anstrengungen unternimmt, eine regionale, österreichische Lösung zu unterstützen.

8-Punkte-Plan

  • Portal Digitale Schule
  • Vereinheitlichung der Plattformen (Einheitliche Kommunikationsprozesse)
  • Lehrenden Fortbildung (Distance-Learning-MOOC)
  • Ausrichtung der Eduthek nach Lehrplänen
  • Gütesiegel Lern-Apps
  • Ausbau der Basis-IT-Infrastruktur
  • Digitale Endgeräte für Schüler/innen
  • Digitale Endgeräte für Lehrerkräfte

In welchem Ausmaß Microsoft & Co Lobbying betrieben haben, ist für Außenstehende mangels österreichischem Informationsfreiheitsgesetz nicht nachvollziehbar. Allerdings kann man davon ausgehen, dass dies stattgefunden hat, denn würde sonst das Bundesministerium auf seinem Webserver ein PDF der Firma Microsoft zur Verfügung stellen, in dem Microsoft auf 2 Textseiten FAQs beantwortet [7] - also viele Fragen dürften von Seiten des Ministeriums an Microsoft nicht gestellt worden sein, wird doch gleich auf der Titelseite der geneigte Leser an Microsoft weiterverwiesen: Veröffentlicht: April 2020. Für weiterführende Informationen www.microsoft.com/de-at/education

Nach dem Scheitern des Safe-Harbor-Abkommen (6. Oktober 2015) und der Nachfolge Vereinbarung des EU-US Privacy Shield (16. Juli 2020) sind durch die Überprüfung bestehender Standardvertragsklauseln Datentransfers außerhalb der EU immer mit Vorsicht zu betrachten. Von Seiten des Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und dessen Minister sollte man jedoch erwarten dass alles für die Zukunft notwendige unternommen wird, um aus eigener Kraft mit eigenem Know-How Österreichs Schüler unterrichten zu können statt dauerhafte Abhängigkeiten zu schaffen.



  1. Distance Learning MOOC

    Eine Maßnahme im Rahmen von Digitale Schule. Der 8-Punkte-Plan für den digitalen Unterricht des BMBWF
    Im Rahmen dessen sollen auch alle Pädagoginnen und Pädagogen auf das Unterrichten in Blended- und Distance-Learning-Settings unter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien gut vorbereitet werden. Als Ergänzung und Erweiterung der umfangreichen Angebote an den Pädagogischen Hochschulen werden alle Lehrkräfte eingeladen, an diesem praxisorientierten Massive Open Online Course (MOOC) teilzunehmen. ↩︎

  2. Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3334/J-NR/2020 betreffend
    Umsetzungsstand EuGH C-311/18,
    ↩︎

  3. Datenschutzbeauftragter, Präs/12 & Präs/15 des BMBW
    Rahmenbedingungen für den Einsatz privater Clouddiensteanbieter im IT-gestützten Unterricht
    ↩︎

  4. bmbwf
    Datenschutz in Schulen

    Datenschutzinformation gemäß Art. 12ff DSGVO im Rahmen der Schulverwaltung an österreichischen Schulen gemäß Art. 14 B-VG
    Rechte des/der Betroffenen
    Sie haben das Recht auf Auskunft über die Verarbeitung Ihrer personenbezogenen Daten. Die Rechte der/des Betroffenen müssen gegenüber dem Verantwortlichen geltend gemacht werden. Dies ist gemäß § 4 Abs. 1 Bildungsdokumentationsgesetz 2020 der jeweilige Schulleiter. Kontaktinformationen finden sich für alle österr. Schulen gemäß Art. 14 B-VG im offiziellen Schulverzeichnis.
    . Soweit die Datenverarbeitung auf Einwilligung beruht besteht das jederzeitige Recht auf Widerruf gemäß Art 7 DSGVO.
    . Eine betroffene Person hat das Recht, Auskunft darüber zu verlangen, ob personenbezogene Daten von ihm verarbeitet werden. (Art 15 DSGVO)
    ↩︎

  5. ARGE Daten
    Österreichs Bildungsdaten landen bei Google - Ministerium gibt sich ahnungslos

    2019/10/06
    Daten von Eltern, Schülern und Lehrern landen bei Google - Ministerium und Bildungsdirektion Niederösterreich bestreiten Google-Einsatz - Bundesminister Faßmann gefordert - nur Spitze des Eisbergs - Whatsapp, Gmail und Facebook dominieren Schulalltag - Österreich informationstechnisch im Bildungsbereich nicht einmal Dritte-Welt-Status ↩︎

  6. Digitale Schule - 8 Punkte Plan
    8-Punkte-Plan
    Vision
    Im Zentrum der Digitalen Schule steht der junge Mensch, der mit Freude und Motivation lernt, um selbstbestimmt seine Zukunft meistern zu können. Dazu gehört auch ein umfassendes Verständnis für die digitale Welt und das Wissen, wie man sich (sicher) in dieser Welt bewegt. Der Anspruch des 8-Punkte-Plans ist es, dieses Wissen allen Schülerinnen und Schülern zu vermitteln. ↩︎

  7. bmbwf
    Microsoft Cloud Dienste für österreichische Schulen – FAQ
    ↩︎