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Mit 1. Juli 2021 trat in Österreich das neue Exekutionsrecht (GREx) in Kraft. Die Position von Gläubigern soll damit gestärkt und die Betreibung von Geldforderungen einfacher gestaltet werden. Fragt man bei Anwälten nach, die sich mit Fragen des Exekutionsrechts befassen, stellt dies eine eindeutige Erleichterung und Vereinfachung der Abläufe dar. [1]
Allerdings des einen Vorteil kann schnell zum Nachteil für Schuldner werden.
Bis zum Inkrafttreten des GREx wurde die Überschuldung eines Gläubigers nur dann in der Editktsdatei veröffentlicht wenn ein Insolvenzverfahren bei Gericht eröffnet wurde. Mit der neuen Regelung kann ein Gläubiger ein sogenanntes Gesamtvollstreckungsverfahren bei Gericht beantragen. Kommt das Gericht zu der Ansicht, dass bei dem gegenständlichen Fall eine Überschuldung vorliegen könnte wird ein Eintrag in der Ediktsdatei veröffentlicht. [2]
Durch die Reform ist mit einer schnelleren und weniger aufwändigen Durchführung von Insolvenzverfahren zu rechnen. Unter dem Titel: “Offenkundige Zahlungsunfähigkeit” kommt es bereits zu einer Veröffentlichung von Name und Anschrift von Schuldnern auf edikte.justiz.gv.at bevor es zu dem eigentlichen Insolvenzverfahren kommt - in dem erst die eigentliche Zahlungsunfähigkeit festgestellt wird. Das bedeutet, dass die Zahlungsunfähigkeit tatsächlich noch nicht festgestellt wurde, sie wird nur angenommen was eigentlich in einem Insolvenzverfahren festzustellen und zu regeln wäre.
Als „Pranger für Schuldner“ wird die Veröffentlichung von Name und Anschrift von Schuldnern bevor es zu dem eigentlichen Insolvenzverfahren kommt kritisiert, weil es mit den Bestrebungen des Schutzes privater Daten nicht vereinbar ist. [3]
Den Betroffenen könnten dadurch Nachteile entstehen, weil mögliche Arbeitgeber oder Vermieter auf diese Datei zugreifen können. Zieht man die unterschiedliche Anzahl von Privatkonkursen und dem Einschreiten von Gerichtsvollziehern pro Jahr in Betracht, so stehen ca 10.000 Privatkonkursen bis zu 700.000 Gerichtsvollzugstermine gegenüber. [4]
Extremer Anstieg der Einträge in Ediktsdatei scheint möglich
Sollte die Mehrzahl von Gläubigern die Möglichkeiten des Gesamtvollstreckungsverfahrens in Anspruch nehmen könnten sich die Einträge in der Ediktsdatei vervielfältigen.
BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte
Die Gesamtreform des österreichischen Exekutionsrechts (GREx) – Was bedeutet das für Gläubiger?Fazit
Gläubiger haben seit 1. Juli 2021 zusätzliche Möglichkeiten, Geldforderungen durchzusetzen sowie ein für den jeweiligen Einzelfall geeignetes Exekutionspaket zu wählen. Nach Exekutionsbewilligung führt das Exekutionsgericht das Verfahren grundsätzlich von Amts wegen, ohne dass der Gläubiger laufend weitere Anträge stellen muss. Sofern erforderlich, bestellt das Exekutionsgericht auch einen Verwalter, der die Ermittlung und Verwertung von Vermögensgegenständen des Schuldners durchführt. Um aussichtlose Exekutionsführungen zu vermeiden, wurde schließlich der „Übergang“ vom Exekutions- ins Insolvenzverfahren verbessert. ↩︎
ORF.at
Ab Juli droht Schuldnern der Internetpranger Arbeitslosigkeit und Krankheit sind statistisch gesehen die Hauptgründe dafür, dass Menschen gezwungen sind, Schulden aufzunehmen. Verschuldet zu sein, sei aber nach wie vor mit Scham belastet, sagt Schwertner. Viele Menschen versuchen, ihre Situation zu verheimlichen, und tun viel dafür, damit das Umfeld nicht mitbekommt, dass sie sich in einer finanziellen Notlage befinden. Das könne dazu führen, dass Rechnungen ungeöffnet in der Schublade landen und das Problem verdrängt wird.
Namen von Schuldnern werden online gestellt
Private Schulden zu verheimlichen, dürfte in Zukunft allerdings schwieriger werden. Mit 1. Juli tritt ein neues Exekutionsrecht in Kraft. Künftig kann ein Gläubiger vor Gericht beantragen, dass gegen seine Schuldnerinnen und Schuldner ein Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet wird, sagt Bernhard Sell, Jurist bei der Schuldnerberatung Wien. Hierbei handle es sich im Prinzip um ein Insolvenzverfahren, dem sich in der Folge auch andere Gläubiger anschließen können. ↩︎
Kurier
Justiz stellt überschuldete Personen im Internet an den PrangerDoch die Reform hat auch einen gravierenden Nachteil. Kommt das Gericht aufgrund der Zahl an Gläubigern zum Schluss, dass eine Person überschuldet ist, wird der Name dieser Person auf der Justiz-Homepage edikte.justiz.gv.at unter der Abfragemaske „offenkundige Zahlungsunfähigkeit“ veröffentlicht.
„Jedermann kann dort nachschauen, ob sein Nachbar oder Arbeitskollege überschuldet ist. Auch ein potenzieller Dienstgeber kann nachschauen, der einen Dienstnehmer aufnehmen will“, sagt Schuldnerberater Clemens Mitterlehner. „Die Veröffentlichung ist aus unsere Sicht nicht notwendig und vom Datenschutz her sehr problematisch.“ ↩︎
[falter
Warum stellt man Schuldner an den Pranger, Frau Steinmann?](https://www.falter.at/zeitung/20210630/warum-stellt-man-schuldner-an-den-pranger--frau-steinmann/_16d8a084dc)Mit der Gesamtvollstreckung hängt ein Eintrag in der Ediktsdatei im Internet zusammen. Die gab es davor nur bei Privatkonkursen. Und bei Privatkonkursen ist es so, dass 90 bis 95 Prozent der Betroffenen selber den Antrag stellen und somit wissen, dass das auf sie zukommt. Jetzt passiert diese Eintragung eben automatisch vom Gericht.
[…]
In den letzten Jahren wurde der Gerichtsvollzieher jährlich im Schnitt 700.000 Mal ausgeschickt, aber es gab nur 10.000 Privatkonkurse. ↩︎