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Auf der Jagd nach Staatsfeind Nr. 1
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
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Fast hat man den Eindruck, unser Rechtsstaat ist am Zusammenbrechen. In einem atemberaubenden Tempo werden die Befugnisse der Polizei ausgeweitet. Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) wurde schon mehrfach verschärft - Verschärfungen die dann zum Teil vom Verfassungsgerichtshof wieder aufgehoben wurden. Gerade bei der Vorratsdatenspeicherung vertraten EuGH und Verfassungsgerichtshof die Meinung, dass gerade die, die man mittels VDS fangen wollte, Wege und Techniken finden, um dieser staatlichen Überwachung zu entgehen. Daher sei ein so weitreichender Grundrechtseingriff nicht akzeptabel. Gerade hier widerspricht der Gerichtshof dem angeblichen Deal "Freiheit versus Sicherheit".
Unverdrossen wird von BM Mikl-Leitner weiterhin nach einer Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung gerufen.
Nach dem Attentat in Frankreich wurden über Nacht knapp dreihundert Millionen für die Polizei gefordert. Ein Geldsegen, der sogar Teile der Polizei nicht erfreut hat: „Schwere gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber sind vor allem prestigepolitische Aktivitäten – sie brauchen wir nicht“, erklärte der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Hermann Greylinger, der „Presse“. [diePresse]
Aber Geldsegen und Verschärfungen in den Gesetzen reichen nicht, ein eigenes Gesetz muss her, das das SPG erweitern soll, das polizeiliche Staatsschutzgesetz (PStSG). Damit sollen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) umfangreichere Befugnisse und Kompetenzen erteilt werden.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass das BVT in Zukunft viel früher ermitteln darf und auch mehr Möglichkeiten der Überwachung nutzen kann. So braucht das BVT aktuell noch einen „konkreten Tatverdacht“, in Zukunft soll die „Bewertung einer Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung“ für das Eingreifen des BVT ausreichen.
„Die Liste ist lang. So dürfen die Verfassungsschützer etwa die Verkehrs-, Zugangs- und Standortdaten von Betroffenen einfordern – das inkludiert, wer wann mit wem telefoniert hat oder eine SMS oder E-Mail sendete. Selbst bei der ‚wahrscheinlichen‘ Störung einer Versammlung dürfen die Ermittler tief in die Privatsphäre von Verdächtigen eindringen. Erstmals gestattet das Gesetz auch den Einsatz sogenannter V-Leute im Verfassungsschutz, die als Spitzel im Milieu ermitteln.“ [profil]
Mikl-Leitner: Durch das neue Gesetz kann das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Vertrauenspersonen in Organisationen einschleusen, die im Auftrag des Staatsschutzes Informationen über verdächtige Personen besorgen sollen. [ÖVP]
In ihrer Stellungnahme meint die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter / GÖD Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte: „Bei Verwirklichung dieses Gesetzesvorhabens besteht die Gefahr der Verselbstständigung des sogenannten ‚Staatsschutzes‘ in der Schaffung eines Systems, eines ‚inner circle‘, wobei die politische und verfassungsrechtliche Kontrolle völlig ausgeschaltet wird, da der Staatsschutz nach dem Entwurf völlig geheim und abgehoben arbeiten kann.“ und „Insgesamt ist daher der Gesetzesentwurf abzulehnen und findet keine Zustimmung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages.“
Mikl-Leitner: Bisher durften Ermittlungsergebnisse maximal neun Monate lang gespeichert werden. Die Speicherfristen von Daten über Verdächtige sollen nun auf zwei Jahre erhöht werden. Wenn der Rechtsschutzbeauftragte zustimmt, kann die Speicherfrist auf sechs Jahre verlängert werden. Auch Auskünfte über Kennzeichen oder IP-Adressen sollen künftig für die Verfassungsschützer zugänglich sein. Damit eine gute Balance zwischen Sicherheit und Freiheit gewährleistet ist, sollen die sensiblen zusätzlichen Befugnisse auf eine kleine Gruppe von Personen eingeschränkt werden. Betreffende Befugnisse müssen dem Rechtsschutzbeauftragten vorgelegt und bestätigt werden. [ÖVP]
Völlig unverständlich ist, warum die Gewaltenteilung hier ausgehebelt werden soll, dass Menschen auf reinen Verdacht hin vom BVT überwacht werden dürfen. Dazu muss weder Richter noch Staatsanwalt konsultiert werden. Schon zur "Bewertung der Wahrscheinlichkeit" eines verfassungsgefährdenden Angriffs darf das BVT jeden überwachen. Es bedarf lediglich eines begründeten Gefahrenverdachts. Allerdings gibt es keine klaren Regeln, wo und wie die Begründung für das Vorliegen eines konkreten Gefahrenverdachts schriftlich festzuhalten und vorzulegen ist. Das BVT kann auf die Daten von allen Behörden und allen Firmen zugreifen, ohne Richter oder Staatsanwalt. Die einzige Kontrolle ist der interne Rechtsschutzbeauftragte des BM.I, diesem kann das BVT die Akteneinsicht zur Wahrung der Identität von Zeugen verwehren.
Das BVT darf alle Daten 6 Jahre lang speichern. Wer auf diese Daten zugreift wird aber nur 3 Jahre lang gespeichert - und das ohne Kontrolle, ohne Information dessen der überwacht wird, dem dadurch ja auch jede Möglichkeit eines Rechtsweges genommen wird.
- Quellen:
- [vfgh]
Die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung in Österreich sind verfassungswidrig. Sie widersprechen dem Grundrecht auf Datenschutz sowie dem Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention („Recht auf Privat- und Familienleben“).
Eine Frist zur Reparatur wird nicht gewährt. Die Aufhebung tritt mit Kundmachung der Aufhebung, die unverzüglich durch den Bundeskanzler zu erfolgen hat, in Kraft.
- [diePresse] Sicherheitspaket: Polizeiprotest gegen Ministerin
Gewerkschaft verlangt von Mikl-Leitner mehr Geld - aber für Ausrüstung der Exekutivbeamten statt für Panzerfahrzeuge.
- [Profil] Staatsschutzgesetz: Viel Überwachung, kaum Kontrolle
Das geplante Staatsschutzgesetz räumt den Verfassungsschützern umfangreiche Befugnisse ein – ohne richterliche Kontrolle. Im schlimmsten Fall droht ein Inlandsgeheimdienst ohne demokratische Aufsicht.
Die Lage ist ernst – andernfalls würden sich nicht Richter und Rechtsanwälte ebenso besorgt zu Wort melden wie die üblichen Verdächtigen aus der Zivilgesellschaft. Das vom Innenministerium vorgelegte Polizeiliche Staatsschutzgesetz (PStSG) ist ein umstrittenes Vorhaben, würde es doch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zu einer Art Superbehörde machen, die deutlich mehr Kompetenzen hätte als bisher und sich der rechtlichen Kontrolle entziehen könnte.
- [Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte]
Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter und die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der GÖD erlauben sich, zu oa Gesetzesentwurf wie folgt Stellung zu nehmen: [PDF]]
- [Kurier] Verfassungsschutz bekommt mehr Kompetenzen
In der Novelle werden auch weitere neue Kompetenzen der Verfassungsschützer aufgelistet, etwa das Verwenden von Kennzeichen-Erkennungssoftware oder das Ausforschen von Computer-IP-Adressen. Um mit diesen Maßnahmen tätig zu werden müsse es einen "verfassungsgefährdenden Angriff" geben. Industriespionage etwa falle darunter, Motorradrocker beispielsweise nicht, erklärte Gridling.
- Petition gegen das geplante Staatsschutzgesetz