Nicht unter Freunden
Immer mehr freundliche Helfer begleiten uns bei unseren täglichen Aufgaben. Das klobige Festnetztelefon unserer Großeltern mutierte zu einem schicken Accessoire, das mit zahlreichen Apps zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel und ständigem Begleiter, ja Freund wurde. Es erscheint schon fast unvorstellbar nicht rund um die Uhr erreichbar zu sein, und egal wo man gerade ist, egal was man gerade macht, hilft unser kleiner Taschenfreund das die Kommunikation und der Informationsfluss nie abreißt. Natürlich ist uns allen dabei bewusst, dass wenn wir unseren Freund nach der Route fragen, hierbei der momentane Aufenthalt ermittelt werden muss. Aber welcher Freund würde dieses Vertrauen dazu missbrauchen uns auszuspionieren? Informationen über unseren Lebensstil, unsere intimsten Gedanken, über alle unsere Freunde zu sammeln, zu analysieren, in Beziehung zu setzen, zu bewerten - und das, um aus unserer Beziehung Geld zu verdienen, uns zu bevormunden oder im schlimmsten Fall um uns zu verraten!
Nicht unter Freunden
Es scheint immer leichter zu werden Freunde zu finden. In Facebook & Co hat man schnell einige Hundert, sogar über Tausend Freunde. Auch der Handel reagiert auf diese Entwertung des Freundschaftsbegriffes und der damit verbunden Erosion an Ethik. Statt Kunde zu sein, der früher angeblich König war, wird man in eine Freundschaft gepresst. Diese aufgedrängte Beziehung muss man mit einem Ausweis beweisen. So wundert es nicht, dass immer mehr Plastikkarten unsere Geldtaschen aufblähen. Der Käufer, nicht mehr Kunde, sondern Freund, wird ausgefratschelt, wie durch aufdringliche Basenaweiber, die jedes Detail über alles und jeden herausfinden, um es möglichst gewinnbringend zu verwenden.
Nicht unter Freunden
Groß war die Empörung als bekannt wurde, dass sogar die Telefonate und SMS der deutschen Kanzlerin ausspioniert wurden. Vielerorts kam Schadensfreude auf, weil der Spionagewahn nicht nur den normalen Bürger trifft, sondern es sogar die mächtigste Frau Europas erwischt hat. Für den deutschen Staat war dies besonders peinlich, hatte man doch gerade viel Steuergeld aufgewendet um die Spitzen von Verwaltung und Politik vor dieser Art von Lauschangriff zu schützen, um jetzt zu erfahren, dass weiter jede private Einzelheit in die Datenbanken und Analysewerkstätten des be-freundeten Geheimdienstes abfließt. Schmerzhaft war und ist dies, weil diese Indiskretion nicht von potentiellen Feinden, sondern vom besten und wichtigsten Bündnispartner, ja vom besten außenpolitischen Freund erfolgt. Ein Einbruch in unsere Privatsphäre und digitale Infrastruktur.
Nicht unter Freunden
„Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“, sagte Angela Merkel schon 2013, um 2015 zu bemerken, dass
„Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis steht, in keinem Vernünftigen.“ Nun, dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen - nur wir müssen mit Bedauern feststellen, dass zwar die Erkenntnis vorhanden ist, aber keine Schritte unternommen werden, dies zu verhindern. Die Reaktion kann ja nicht sein, dass der NSA-Untersuchungsausschuss auf mechanische Schreibmaschinen zurückgreifen muss, um vor Spionage sicher zu sein. Die obersten Richter haben festgestellt, dass jene, die man mit der Vorratsdatenspeicherung erwischen wollte, gerade die sind, die sich dieser Überwachung entziehen können. Was bleibt ist der Schaden für uns und die Gesellschaft, denn das Vertrauen ist durch den ständigen und immer weiter wachsenden Missbrauch verloren. So müssen wir feststellen, dass wir nicht unter Freunden sind.