In diesem Jahr wurden in der Kategorie "Behörden und Verwaltung" nominiert:
Wie jedes Jahr haben alle Nominierten die Möglichkeit, sich mit Kommentaren an info@bigbrotherawards.at zu wenden. Wir veröffentlichen dann die Reaktionen unter der jeweiligen Nominierung.
Peter Gridling, Gefahr für die Verfassung
Im Manifest des irren Massenmörders Anders Breivik habe man zwar "nichts Konkretes gefunden" sagte Peter Gridling, Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz im ORF-Radio nach dem Attentat. Wäre man vorab "auf Breiviks Gedankenwelt aufmerksam gemacht" worden, so hätten die Verfassungsschützer gesagt: "Das ist ein Wirrkopf, aber derzeit keine Aufgabe für die Polizei". Was folgern wir daraus? Gerade weil ein solcher Einzeltäter mit der erweiterten Gefahrenerforschung nicht ausgeforscht worden wäre, plädiert Gridling dafür, diese "erweiterte Gefahrenerforschung" von Gruppen auf Einzelpersonen auszudehnen. Ohne irgendeinen konkreten Tatverdacht sollte also das Anlegen von personenbezogenen Dossiers ermöglicht werden, um "Gefahrenprognosen" zu erstellen. Um eine solche über Gridling abzugeben, bedarf es keines Dossiers: Wer solche Ansichten äußert, ist eine Bedrohung für die Verfassung der Republik Österreich.
Renate Christ, Leiterin MA 40: Offenbarungseid für Arme
Dass Sozialhilfebeziehern ein Sozialstriptease abverlangt wird, ist in den Nominierungen der letzten Jahre nachzulesen. Die neue "Mindestsicherung" ist da nicht anders, wobei ausgerechnet das "Rote Wien" die Schraube besonders fest anzieht. Antragsteller werden davon in Kenntnis gesetzt, dass ihre Daten vom AMS bis Bundespolizei und Arbeitgeber an insgesamt 15 Stellen übermittelt werden und diesen Instanzen zugleich Auskunftsrechte über den Antragsteller eingeräumt werden. Das Besondere an der Wiener Lösung: Informiert wird auch der Vermieter, was sich die MA 40 gleich einmal kollektiv per Unterschrift mitbestätigen lässt. Erst darunter wird auf das Recht zum Widerruf dieser Vorabzustimmung hingewiesen, ein Eintragsfeld im Formular gibt es dazu nicht. Wie viele jener, die weniger als 752,94 Euro pro Monat zur Verfügung haben, werden sich wohl getrauen zu widerrufen, wenn von Amts wegen erst einmal zuzustimmen ist. Wie wird ein Vermieter angesichts der Wiener Wohnungsknappheit auf die amtliche Information wohl reagieren, dass ein bis dato unauffälliger Mieter plötzlich Mindestsicherung bezieht? Die Rechtfertigung der MA 40, dass man in Wien gleich einmal alles unterschreiben muss, fällt - wie immer, wenn Sozialdemokraten bei so etwas erwischt werden - entsprechend lahm aus. Der übliche Sermon "wir haben eh nur" und "es war ja gar nicht so, sondern nur gut gemeint" im Wording der MA 40: Die Zustimmungserklärung werde "nur verwendet, wenn es unbedingt notwendig ist", etwa um "Mietrückstände, von denen wir vom Klienten nichts erfahren haben, zu überweisen".
Arno Melitopoulos GD Tiroler GKK: Roulette mit Patientendaten
Die Stellungnahme der Tiroler Gebietskrankenkasse nach Bekanntwerden des Verlusts von 600.000 Patientendatensätzen samt Sozialversicherungsnummern brachte folgenden Sachverhalt ans Licht. Seit Jahren wird einmal pro Monat die Sicherheit des E-Card-Netzes vollständig ausgehebelt, indem die Stammdaten der Tiroler Versicherten samt Sozialversicherungsnummern aus dem System kopiert und anderweitig in Umlauf gebracht wurde. Von privaten Transportfirmen bis zum Roten Kreuz erhalten 50 verschiedene, externe Dienstleister, die nicht an das E-Card-Netz angeschlossen sind, den kompletten, aktualisierten Datensatz. Laut TGKK geschieht das, um zu überprüfen, ob ein Kranker auch bei der TGKK versichert ist. Damit also etwaige, kranke "Sozialbetrüger" daran gehindert werden können, sich eine ärztliche Behandlung "erschleichen", wurde jahrelang und methodisch die Sicherheit aller Patientendaten aufs Spiel gesetzt. So kam es, wie es kommen musste. Irgendwer hatte vom kompletten Datensatz eine "Sicherungskopie" angefertigt, die bei einem Web-Speicherdienst im Klartext abgelegt, und monatelang dort liegen gelassen. Für die Betroffenen 600.000 Tiroler bleibt nur zu hoffen, dass die Nachwuchshacker der Anonymous-Truppe mit dieser Unmenge Daten verantwortungsvoller umgehen, als die offiziellen Verlustträger.
Gabriela Petrovic, Konrad Pesendorfer [GD Statistik Austria]: Bevölkerungsbuchhalter mit Hang zur Totalität
Die für Oktober 2011 angesagte "Volkszählung" ist in Wirklichkeit das bisher größte Datenabgleichprojekt der Zweiten Republik. Nach jahrelangem Aufbau können nun zahllose Personenregister miteinander abgeglichen und verknüpft werden. Von Wohnen, familiären Beziehungen, Arbeit, Ausbildung, sozialer Sicherheit werden alle nur erdenklichen Lebensfunktionen der Bürger bis tief in die innerfamiliären Beziehungen erfasst und ausgewertet. Datenschützer Hans Zeger hatte dies "als totalitäre Wünsche von Bevölkerungsbuchhaltern" bezeichnet. In einem ausführlichen Strukturvergleich "der heutigen Generalinventur" ("Registerzählung") hatte er grundlegende strukturelle Ähnlichkeiten mit den NS-Volkszählungen 1933 und 1939 festgestellt. Zeger wurde deshalb von der Statistik Austria unter anderem wegen Kreditschädigung geklagt.