Die Gewinner der Big Brother Awards 2001
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Die
siebenköpfige Jury
hat gesprochen und sie hatte es nicht leicht dabei. Noch
nie gab es so viele Nennungen, noch nie haben sich so viele
Kandidaten für die fünf Kategorien aufgedrängt. Der sechste Award wurde
in einer Volkswahl vom Publikum bestimmt. Nach entsprechender
Würdigung auf der überaus gut besuchten Preisverleihung werden
also auch hier die heurigen Gewinner genannt:
Ars Electronica
Es gab längere Diskussionen in der Jury, wer von den drei
Beteiligten hier hauptsächlich nominiert werden sollten. Man
entschied sich schließlich, den Verantwortlichen des
Veranstalters "Ars Electronica" zu
nennen. Die ließen es nicht nur zu, dass eine
menschenfeindliche Technologie wie Biometrie als etwas
vollständig Normales präsentiert wurde, perfiderweise wurde sie
auch noch in "künstlerischen Kontext" gesetzt. An der Verharmlosung
mitbeteiligt war die Mobilkom,
die Kauf von Entrittskarten per
Handy und anschließender Registrierung durch Fingerscan nur die
"Verbindung von zwei flexiblen und bequemen Technologien" zum
"komfortablen und sicheren "mCommerce mit ekey" sehen wollte.
Die Mobilkom verspricht sich genauere Profile des Kundenstamms
durch ein biometrisches Fingerscan-System zur Identifikation
namens "ekey", das ein Konsortium unter der Führung der
VA-Stahl Linz entwickelt. Dort sollen
die Abdrücke in einer Datenbank zentral gespeichert werden.
Bürgermeister Gerhard Köfer [SPÖ]
"Außergewöhnliche Entwicklungen gegen die Gesundheit unserer
Kinder erfordern außergewöhnliche Maßnahmen", so begründet
Gerhard Köfer [SPÖ], Bürgermeister von Spittal an der Drau seine
Kopfgeld-Aktion. Er werde mit der Gendarmerie und den
Verwaltungsbehörden eine Anlaufstelle schaffen, wo auch anonyme
Hinweise angenommen werden. Köfers Idee: Jeder Bürger, der der
Polizei Hinweise auf mutmaßliche Drogendealer gibt, soll 5.000
Schilling erhalten, Sponsoren sollen örtliche Unternehmen sein.
Kripo-Chef Herwig Haidinger
Nominiert
wird Kripo-Chef Herwig Haidinger für die wiederholte,
öffentliche Verharmlosung der Überwachungs- Schnittstellen im Entwurf der
Überwachungsverordnung ÜVO. Wer die Architektur der von den
Beamten des Innenministeriums vehement geforderten
Anzapfstellen nach dem ETSI Standard ES 201 671 kennt, weiss,
dass dort Übertragungen von Daten in großem Stil sehr einfach
möglich werden. Mit handelsüblichen Datamining-Programmen
werden Bewegungs- und Kommunikationsprofile einer sehr großen
Zahl von Menschen auf Knopfdruck möglich. Dass sich der Kripo-
Chef zudem die entsprechende Verordnung zum Einbau von
Schnittstellen für den E-Mailverkehr auszudehnen vorstellen kann,
war abzusehen. Die Begründung nicht: "Von der Eingriffsintensität
ist es dasselbe. Nur in dem einen Fall sprechen Sie, im anderen
Fall verkehren Sie schriftlich." Wer weiß, wie unterschiedlich Daten
bei Sprachtelefonie bzw. durch das TCP/IP Protokoll im Internet
übertragen werden, weiss auch, dass man zum Erfassen der E-Mails
einer bestimmten Person, auch alle anderen E-Mails im
gleichen Datenstrom filtern muss. Die Möglichkeit, dass derlei
Aussagen eher aus Inkompetenz als bewußter Verharmlosung
geschähen, änderte nichts am Willen der Jury zur Nominierung.
Telekommunikation und Marketing:
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Post AG
Nominiert wird die Post AG für ihr Daten-Doppelspiel mit dem
privaten Datenhändler Schober über
die gemeinsame Tochter "Postadress Austria
GmbH". Die Post AG ist Großkunde bei und
Großhändler für Schober und bietet ihren Kunden auf Basis der
Schober-Datenbanken ein Direktmarketing-Paket ["Info-Mail-
Select"] an. Schober, bereits 1999 ausgezeichnet, verfügt über
Daten "von allen 5,5 Millionen erwachsenen Privatpersonen in
Österreich mit bis zu 100 marketing-relevanten Merkmalen pro
Person." Zur Erlangung dieser Daten täuscht man den Kunden
unter anderem mit Datenerhebungsbögen Amtlichkeit vor.
Zusätzlich bemerkenswert fand die Jury den eigenartigen Umgang
der Post AG mit Auskünften über ihre Kunden bei Anfragen von
Dritten wie etwa Inkassobüros. Auskünfte über geleerte/ nicht
geleerte Brief- und Hauspostfächer und anderes sind bereitwillig
und einfach zu erhalten. Ganz offensichtlich werden Briefträger
auch als "Detektive" eingesetzt, um mit derselben Methode zu
kontrollieren, ob krank geschriebene Mitarbeiter der Post AG
tatsächlich zu Hause sind.
Karl Isamberth
Nominiert ist der langjährige Projektleiter für alle Großzählungen
bei der Statistik Austria. Isamberth war nicht nur für die
Volkszählung zuständig, sondern er
ist auch für das bereits erwähnte Monsterprojekt
Bildungsevidenz verantwortlich.
Isamberth hat es nachgerade meisterhaft verstanden, die sozial
höchst gefährliche Vernetzung ungeheurer Datenmengen in
Großdatenbanken öffentlich herunter zu spielen. Ein Beispiel wie
dies funktioniert: Eine den Daten zugeordnete individuelle
Codenummer, die nur dazu dient, den Besitzer der Daten
eindeutiger zu identifizieren als es sein bloßer Name täte, wird
völlig irreführender Weise als Sicherung der Daten durch
Verschlüsselung und Anonymisierung bezeichnet.
Peter Westenthaler [FPÖ]
der unter anderem mit seinen Fingerprint-Phantasien die Gunst des
Publikums auf seine Seite ziehen und den Mitbewerb ausstechen konnte.
Ganz allgemein sei nochmal auf den Aussschreibungstext der Awards hingewiesen,
der nicht unbedingt Rechtsverletzungen im straf- oder zivilrechtlichen Sinn,
sondern das demokratische Gefährdungspotential an den Grundrechten als Kriterium nennt.
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