Die Nominees für die Big Brother Awards 2001
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Die
Nominees 2001 sind da! Die Jury,
hat gesprochen und sie hatte es nicht leicht dabei. Noch
nie gab es so viele Nennungen, noch nie haben sich so viele
Kandidaten aufgedrängt.
1. Microsoft
[microsoft.com, microsoft.at]
für einen in diesen Dimensionen noch nie dagewesen Versuch, die
vollständige Kontrolle über seine Kunden zu erhalten.
Niemand außer den Redmondern weiß, welche Daten bei der
Zwangsregistrierung von Windows XP übers Internet übermittelt
werden. Zusammen mit Microsofts Passport-Konzept, einer Online-
Identität, die bereits jetzt auch für Bestell- und
Bezahlungsvorgänge vorgesehen ist, ergibt sich hier ein kaum
beschränktes Überwachungspotenzial.
Herr
Thomas Lutz von Microsoft reagierte sehr prompt: "Ich möchte dazu vehement
widersprechen und bezweifle stark, dass Sie Ihre Behauptungen
auch nur ansatzweise beweisen können. [..]" und ersucht daher die
"Nominierung zurückzuziehen oder Ihre Behauptungen schlüssig
zu beweisen." - Hans Zeger antwortet fuer die 'Big Brother Awards' mit dieser
E-Mail.
Die
beiden folgenden Dokumente wurden uns zur Kenntnisnahme uebermittelt:
2.
Ars Electronica
Es gab längere Diskussionen in der Jury, wer von den drei
Beteiligten hier hauptsächlich nominiert werden sollten. Man
entschied sich schließlich, den Verantwortlichen des
Veranstalters "Ars Electronica" zu
nennen. Die ließen es nicht nur zu, dass eine
menschenfeindliche Technologie wie Biometrie als etwas
vollständig Normales präsentiert wurde, perfiderweise wurde sie
auch noch in "künstlerischen Kontext" gesetzt. An der Verharmlosung
mitbeteiligt war die Mobilkom,
die Kauf von Entrittskarten per
Handy und anschließender Registrierung durch Fingerscan nur die
"Verbindung von zwei flexiblen und bequemen Technologien" zum
"komfortablen und sicheren "mCommerce mit ekey" sehen wollte.
Die Mobilkom verspricht sich genauere Profile des Kundenstamms
durch ein biometrisches Fingerscan-System zur Identifikation
namens "ekey", das ein Konsortium unter der Führung der
VA-Stahl Linz entwickelt. Dort sollen
die Abdrücke in einer Datenbank zentral gespeichert werden.
3.
biometrix.at
Eine notwendige Applikation für eine solche Datenbank bietet
biometrix.at bereits nämlich die "BioCheck High Speed Fingerprint
Search Engine." Das Projekt der österreichischen Firma, "heute
schon die Technik von morgen" zu liefern, wird universell einsetzbar
für "Personenkontrollsysteme, Grenzkontrolle und Haftanstalten"
bis hin zu "Verleihsystemen für Videotheken".
4.
Sektion Banken der Wirtschaftskammer
Nominiert wird auch die Sektion Banken der Wirtschaftskammer für
die Formulierungsvorschläge in den neuen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen für Banken, durch die umfassende
Datenweitergaben zum Kreditschutzverband ermöglicht werden.
Der KSV hat für seinen Umgang mit hochsensiblen Daten bereits
einen Big Brother Award erhalten, bzw. wurde auch heuer wieder für
einen solchen nominiert.
5.
SurfControl.at
Auch SurfControl, die selbst ernannte "Filtering Company" mit
maßgeblicher österreichischer Beteiligung hat eine Nominierung
längst verdient. Neben "Cyber-Patrol" der Internet-Kontroll- und
Zensursoftware für den Hausgebrauch, ermöglichen "Super Scout
Email" und "Super Scout Web" Firmen, die gesamte TCP/IP-
Kommunikation ihrer Mitarbeiter lückenlos zu kontrollieren. Mit
Stichwortsuche über den gesamten E-Mail-Verkehr in beide
Richtungen verwandelt Super Scout jede Firmenleitung in eine
kleine NSA.
1.
Peter Westenthaler [FPÖ]
für seinen Vorschlag, erst allen Ausländern und dann überhaupt der
gesamten Bevölkerung die Fingerabdrücke abzunehmen.
2.
Sozialminister Herbert Haupt [FPÖ]
für seine Empfehlung, ein Fingerabdruck-Code soll "zur Sicherung
sensibler Daten" wie etwa Angaben über Krankheiten und Medikamente
auf der Chipkarte, die ab 2002 den Krankenschein schrittweise ersetzt,
dienen. Der Fingerabdruck-Code sei "die sicherste Methode" überhaupt,
nämlich um ihn in den Sozialversicherungsanstalten zentral
elektronisch zu speichern. Bezeichnenderweise wurde diese
Erklärung der "Kronen Zeitung" exklusiv übermittelt.
3.
Bildungsministerin Elisabeth Gehrer [ÖVP]
für die Pläne aus ihrem Ministerium zur Einrichtung einer
"Bildungsevidenz" genannten monströsen Datenbank aller Österreicher.
Verknüpft werden sollen alle Zeugnisse von Schulen und anderen
Bildungseinrichtungen mit den Ergebnissen der letzten Volkszählung.
60 Jahre Speicherung von allen Daten nach dem letzten Eintrag bedeuten,
dass die Datenspeicherung über das durchschnittliche Lebensalter
wenigstens der männlichen Östrreicher hinausgeht.
4.
Bürgermeister Gerhard Köfer [SPÖ]
"Außergewöhnliche Entwicklungen gegen die Gesundheit unserer
Kinder erfordern außergewöhnliche Maßnahmen", so begründet
Gerhard Köfer [SPÖ], Bürgermeister von Spittal an der Drau seine
Kopfgeld-Aktion. Er werde mit der Gendarmerie und den
Verwaltungsbehörden eine Anlaufstelle schaffen, wo auch anonyme
Hinweise angenommen werden. Köfers Idee: Jeder Bürger, der der
Polizei Hinweise auf mutmaßliche Drogendealer gibt, soll 5.000
Schilling erhalten, Sponsoren sollen örtliche Unternehmen sein.
1.
Monsignore Ägidius Zsifkovics
Sekretär
der Österreichischen Bischofskonferenz für die Verteidigung der
verpflichtenden Beantwortung der Frage nach der Religionszugehörigkeit
bei der Volksbefragung. Vor allem die Begründung, diese Information sei
"im Interesse des Staates" - etwa für die Planung des Religionsunterrichts -
zeigt, wie die Bedürfnisse des Staats dem Recht jedes Einzelnen,
Glauben oder Nichtglauben aller Art als seine Privatsache anzusehen,
übergeordnet werden.
2.
Kripo-Chef Herwig Haidinger
Nominiert
wird Kripo-Chef Herwig Haidinger für die wiederholte,
öffentliche Verharmlosung der Überwachungs- Schnittstellen im Entwurf der
Überwachungsverordnung ÜVO. Wer die Architektur der von den
Beamten des Innenministeriums vehement geforderten
Anzapfstellen nach dem ETSI Standard ES 201 671 kennt, weiss,
dass dort Übertragungen von Daten in großem Stil sehr einfach
möglich werden. Mit handelsüblichen Datamining-Programmen
werden Bewegungs- und Kommunikationsprofile einer sehr großen
Zahl von Menschen auf Knopfdruck möglich. Dass sich der Kripo-
Chef zudem die entsprechende Verordnung zum Einbau von
Schnittstellen für den E-Mailverkehr auszudehnen vorstellen kann,
war abzusehen. Die Begründung nicht: "Von der Eingriffsintensität
ist es dasselbe. Nur in dem einen Fall sprechen Sie, im anderen
Fall verkehren Sie schriftlich." Wer weiß, wie unterschiedlich Daten
bei Sprachtelefonie bzw. durch das TCP/IP Protokoll im Internet
übertragen werden, weiss auch, dass man zum Erfassen der E-Mails
einer bestimmten Person, auch alle anderen E-Mails im
gleichen Datenstrom filtern muss. Die Möglichkeit, dass derlei
Aussagen eher aus Inkompetenz als bewußter Verharmlosung
geschähen, änderte nichts am Willen der Jury zur Nominierung.
3.
Beamte des Innenministeriums
Weiters nominiert werden jene Beamten der
Generaldirektion für Öffentliche Sicherheit
bzw. der Arbeitsgruppe "Polizeiliche
Zusammenarbeit" im Innenministerium, die durch Weitergabe von
beamteten Meinungen, Einschätzungen und Beobachtungen dafür
gesorgt haben, dass durchwegs unbescholtene österreichische
Bürgerinnen und Bürger im Ausland inhaftiert und festgehalten
wurden. Das Delikt der Volxtheater- Karavane bestand im Ausüben
des Rechts auf freie Meinungsäußerung durch Teilnahme an einer
Demonstration. Die wundersame Verwandlung von 'weichen' in
vermeintlich 'harte Daten' aber dürfte bereits auf dem Weg in das
Außenministerium stattgefunden haben. Besonders erwähnenswert
fand die Jury auch die starken Worte von Frau Ferrero-Waldner
über die Schauspielergruppe - diese Personen seien ja ohnehin
bereits vorgemerkt.
4.
Reinhard Posch
Bereits
der Name ist Roßtäuscherei, weil sie in erster Linie nicht
dem Bürger dient, sondern dem Staat, also eine Behördenkarte ist.
Mit der so genannten "Bürgerkarte" wird versucht, ein
einheitliches elektronisches Identifikationssystem zu schaffen,
das langfristig alle Berührungen mit Behörden speichert und
registriert. Aus simplen Anfragen werden so riesige elektronische
Akte, bezeichnenderweise sind bereits Forderungen nach Speicherungen
biometrischer Daten laut geworden. Damit hat Reinhard Posch, der
Beauftragte für die Bürgerkarte,
eine Nominierung verdient.
5.
Lehrlingsstelle der WK Oberösterreich
Nominiert
wird die Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer
Oberösterreich für ihre Praxis im Umgang mit Lehrverträgen. So
wird den Unternehmen die Ausfertigung von Lehrverträgen als
Service angeboten. Dieses geht so weit, dass Firmen informiert
werden, sobald sich einer von "ihren" Lehrlingsbewerbern auch
anderswo beworben hat. Noch immer sind in diesem Land
Eigeninitiative, oder gar der Wille zur Selbständigkeit offenbar von
Haus aus so verdächtig, dass diese Personen gemeldet werden
müssen.
6.
Waltraut Kotschy,
als
langjährigem Mitglied stellvertretend für all
jene Mitglieder der Datenschutzkommission, deren Säumigkeit
die Umsetzung wesentlicher Teile der EU- Datenschutzrichtlinie über
so genannte "Informationsverbundsysteme" verhindert hat. Diese
fehlende Umsetzung wurde seitens der EU bereits wiederholt angemahnt.
Telekommunikation und Marketing:
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1.
Post AG
Nominiert wird die Post AG für ihr Daten-Doppelspiel mit dem
privaten Datenhändler Schober über
die gemeinsame Tochter "Postadress Austria
GmbH". Die Post AG ist Großkunde bei und
Großhändler für Schober und bietet ihren Kunden auf Basis der
Schober-Datenbanken ein Direktmarketing-Paket ["Info-Mail-
Select"] an. Schober, bereits 1999 ausgezeichnet, verfügt über
Daten "von allen 5,5 Millionen erwachsenen Privatpersonen in
Österreich mit bis zu 100 marketing-relevanten Merkmalen pro
Person." Zur Erlangung dieser Daten täuscht man den Kunden
unter anderem mit Datenerhebungsbögen Amtlichkeit vor.
Zusätzlich bemerkenswert fand die Jury den eigenartigen Umgang
der Post AG mit Auskünften über ihre Kunden bei Anfragen von
Dritten wie etwa Inkassobüros. Auskünfte über geleerte/ nicht
geleerte Brief- und Hauspostfächer und anderes sind bereitwillig
und einfach zu erhalten. Ganz offensichtlich werden Briefträger
auch als "Detektive" eingesetzt, um mit derselben Methode zu
kontrollieren, ob krank geschriebene Mitarbeiter der Post AG
tatsächlich zu Hause sind.
2.
Connect Austria
Wenn auch andere Mobiltelefonie-Anbieter aus denselben Gründen
immer wieder von Konsumenterschützern kritisiert werden, wurde
paradigmatisch Connect Austria genannt. Einerseits verweigert
One Kunden die Dienstleistung Telefon
wegen angeblich schlechter Bonität, andererseits weigert man sich,
Daten und Quellen dazu bekannt zu geben. Da alle Informationen über
Bonität häufig aus unzureichend gepflegten Datenbanken stammen,
deshalb oft veraltet oder schlicht falsch sind, nimmt man den
Betroffenen jede Chance zur Richtigstellung.
3.
Der Kreditschutzverband von 1870
für
seine Safe & Quick
Online-Kreditkartenautorisierung, weil sie folgendes Szenario
möglich macht: Wenn, wie angeboten, beim Online-Shopping in einem
beliebigen Internet-Geschäft ein für den Kunden nicht ersichtliches
Bonitäts-Rating durch die KSV-Datenbank im Hintergrund mitläuft,
führt das zu einem Verlust der wirtschaftlichen Autonomie. Ohne
die geringste Ahnung davon zu haben, bekommt der Kunde nur
noch jene Angebote vorgesetzt, die seiner Bonität entsprechen.
Seiner angeblichen Bonität - denn der Umgang des KSV mit Daten
steht immer wieder im Zentrum der Kritik von Datenschützern.
4.
Telekom Austria
Nominiert wird die Telekom Austria dafür, dass sie ihre langjährige
Praxis immer noch nicht geändert hat. Auch 2001 gibt es ständig
Beschwerden, dass Telefonnummern immer noch beauskunftet werden,
obwohl der Teilnehmer schon seinen Wunsch auf Geheimhaltung
deponiert hat.
5.
max.mobil
Dass max.mobil trotz einer ansonsten sehr begrüßenswerten
Standhaftigkeit, die Daten seiner Kunden gegen
"Stöberfahndungen" der Polizei zu schützen, dennoch genannt
wird, hat einen gewichtigen Grund. Mit dem Anbieten eines so
genannten "location based services" unter dem Titel "Friendfinder"
wird erstmals ein Dienst angeboten, der im geographischen Orten
einer anderen Person über ein Handynetz besteht.
1.
Karl Isamberth
Nominiert ist der langjährige Projektleiter für alle Großzählungen
bei der Statistik Austria. Isamberth war nicht nur für die
Volkszählung zuständig, sondern er
ist auch für das bereits erwähnte Monsterprojekt
Bildungsevidenz verantwortlich.
Isamberth hat es nachgerade meisterhaft verstanden, die sozial
höchst gefährliche Vernetzung ungeheurer Datenmengen in
Großdatenbanken öffentlich herunter zu spielen. Ein Beispiel wie
dies funktioniert: Eine den Daten zugeordnete individuelle
Codenummer, die nur dazu dient, den Besitzer der Daten
eindeutiger zu identifizieren als es sein bloßer Name täte, wird
völlig irreführender Weise als Sicherung der Daten durch
Verschlüsselung und Anonymisierung bezeichnet.
2.
Walter Schwimmer,
ehedem Sozialsprecher der ÖVP und seit längerem
Generalsekretär des Europarats.
Ausgerechnet diese Institution, deren zähes Eintreten für den
Schutz der Grundrechte seit Jahrzehnten unbestritten zur
Verbesserung der Menschenrechts-Standards über Europa hinaus
beigetragen hat, wird seit 1997 dazu benutzt, ein von
Bürgerrechtlern vehement kritisiertes Vertragswerk zu erstellen.
Die so genannten "Cybercrime Proposals",
die zu einer Resolution des Europarats werden sollen, sehen unter
anderem einschneidende Verpflichtungen für Provider zur Speicherung
von Daten und deren Grenzen überschreitenden Weitergabe vor und
sollen auf diesem Weg Einzug in die Legislaturen aller Unterzeichner-
Staaten finden. Die "Cybercrime proposals" werden seit 1997 von
einem geheimen Komitee unter holländischer Führung hinter
verschlossenen Türen ausgehandelt, die erste Publikation des
Vertragswerks im Jahr 2000 rief einen Sturm der Entrüstung hervor.
Kritisiert haben nicht etwa nur Datenschützer und Civil Liberties
Organisationen, sondern vor allem die IT-Industrie, die
Wirtschaftskammern etwa der USA [die über die G-7 dem Vertrag
ebenfalls beitreten wollen] und Österreich. Sogar die BBC warnte
in einer umfangreichen Stellungnahme vor "Datenschnüffelei."
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